HR.Law

BAG zur Vergütung von Überstunden

05. Mai 2021

BAG zur Vergütung von Überstunden: Fehlende Arbeitszeiterfassung hat keine Auswirkungen auf Darlegungs- und Beweislast.

Mit Blick auf Überstundenprozesse können Arbeitgeber sich erst einmal zurücklehnen. Das BAG hat gestern, am 4. Mai 2022, entschieden (5 AZR 359/21 PM: Entscheidung BAG):

  • Fehlende Arbeitszeiterfassung führt nicht automatisch zu einem Anspruch auf Vergütung von Überstunden.
  • Die CCOO-Entscheidung des EuGH ist zur Auslegung und Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und von Art. 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergangen.
  • Nach gesicherter Rechtsprechung des EuGH beschränken sich diese Bestimmungen auf den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer.
  • Sie finden grundsätzlich keine Anwendung auf die Vergütung der Arbeitnehmer.
  • Die unionsrechtlich begründete Pflicht zur Messung der täglichen Arbeitszeit hat deshalb keine Auswirkung auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast in Überstundenvergütungsprozessen.

Hintergrund:

Am 14. Mai 2019 hatte der EuGH in der seither viel diskutierten CCOO-Entscheidung (C-55/18) festgestellt, dass die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein System einzurichten, um die tägliche Arbeitszeit zu erfassen.

Dieses System muss:

  • objektiv, 
  • verlässlich und
  • zugänglich sein.

Nach der überwiegenden Ansicht ergibt sich hieraus keine unmittelbare Verpflichtung für Arbeitgeber, sondern eine Handlungspflicht für den Gesetzgeber.

Davon abweichend hat das ArbG Emden im Jahr 2020 in zwei Entscheidungen zur Geltendmachung von Überstunden (20.02.2022 – 2 Ca 94/14 und  24.09.2020 – 2 Ca 144/20) entschieden, dass die CCOO-Entscheidung auch ohne die Umsetzung durch den Gesetzgeber unmittelbare Folgen für Arbeitgeber hat. Nämlich: Ohne Arbeitszeiterfassung verändere sich die Darlegungslast in einem Überstundenprozess. Es hat daher beiden Klagen stattgegeben.

Das LAG Niedersachsen hat entschieden (06.05.2021 – 5 Sa 1292/20): Die CCOO-Entscheidung hat keine Aussagekraft für die Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess.

Dies hat das BAG nunmehr erfreulicherweise bestätigt.

Leider hat das BAG – zumindest ausweislich der Pressemitteilung – aber nicht darüber entschieden, ob die CCOO-Entscheidung zu unmittelbaren Handlungspflichten für Arbeitgeber führt. Ggf. ergibt sich dazu etwas aus der Entscheidung. Dies bleibt also abzuwarten.

Unternehmen sind unabhängig davon weiter gut beraten, bestehende Systeme auf die Anforderungen der CCOO-Entscheidung hin zu überprüfen und sich – wenn sie bislang nicht über ein System verfügen – mit der Einführung einer Arbeitszeiterfassung auseinanderzusetzen.

Autorin: Lisa-Marie Niklas

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