Metaverse Blog-Serie: Nr. 8

Dezentralisierte autonome Organisationen (DAO)

15. Februar 2023

Seit Jahrtausenden finden sich Menschen in Gruppen zusammen, um Ressourcen und Risiken zu teilen und Abläufe effizienter zu gestalten und so den Herausforderungen ihrer Zeit zu begegnen. Dieses menschliche Bedürfnis besteht auch im digitalen Zeitalter unverändert fort. Die dezentralisierte autonome Organisation (Decentralized Autonomous Organization, kurz DAOs) soll Nutzern dazu dienen, gemeinsam mit anderen Nutzern Projekte und Aktivitäten umzusetzen. Ihre dezentrale Natur erlaubt es, ohne eine traditionelle Geschäftsführung, Entscheidungsprozesse zu vereinfachen und durch autonomes Handeln Kosten und Aufwand zu reduzieren.

In den vorangegangenen Beiträgen unserer Metaverse Blog-Serie haben wir einige Grundlagen und Begriffe des Metaverse und des Web 3.0 erklärt, beleuchtet, auf welcher technischen Grundlage das Metaverse und das Web 3.0 basieren und welches Recht im Metaverse Anwendung findet. In diesem Beitrag soll die DAO als neuartige Organisationsform des Web 3.0 vorgestellt werden.

Aber was genau ist eine DAO? Wie entsteht und funktioniert sie? Welche Anwendungsfälle gibt es für DAO und wie sind sie rechtlich einzuordnen? Auf all diese Fragen wollen wir im Folgenden eingehen.

I. DAOs als Gesellschaften des Web 3.0?

Anders als bei traditionellen Gesellschaftsformen entsteht eine DAO nicht etwa durch die (notarielle) Unterzeichnung eines Gesellschaftsvertrages – oder genauer genommen dem klassischen Austausch von Willenserklärungen – sondern wird als Code programmiert und auf einer Blockchain abgelegt. Die Grundlage der DAO bilden dabei sog. Smart-Contracts. Hierbei handelt es sich nicht um Verträge im Rechtssinne, sondern um Programmcode, der bei Eintritt festgelegter Bedingungen eine daran geknüpfte Folge automatisch auslöst. Man spricht daher auch von sich selbst vollziehenden Verträgen. Die Ausführung dieser Smart-Contracts auf einer Blockchain erlaubt es, Transaktionen derart zu gestalten, dass sie von den beteiligten Parteien nicht mehr einseitig aufgehalten werden können, wenn sie einmal in Gang gesetzt wurden. Vereinfacht gesagt, handelt es sich also bei DAOs um eine Ansammlung sich selbst vollziehender Smart-Contracts, die auf einer Blockchain verwahrt und ausgeführt werden.

Diese Ansammlung von Smart-Contracts wird von intelligenten Algorithmen und sog. autonomen Agenten (Computerprogramme, die in gewissem Umfang zu selbständigem Handeln fähig sind und ohne einen äußeren Startimpuls Verarbeitungsvorgänge durchführen können) gesteuert und verwaltet. Hier zeigt sich einer der gravierendsten Unterschiede zwischen DAOs und klassischen Gesellschafts- und Organisationsformen.

II. Organisationen und Gesellschaften mit Autopilot?!

Während bei traditionellen Gesellschaften die Menschen im Mittelpunkt der (wirtschaftlichen) Aktivitäten der Gesellschaft stehen, indem sie die Prozesse steuern und Entscheidungen treffen, ist in einer DAO das genaue Gegenteil der Fall. Die DAO und ihre Aktivitäten werden von den Algorithmen und autonomen Agenten entsprechend dem implementierten Code ausgeführt, ohne dass es dabei menschlicher Betätigung bedarf. Jedoch sind die derzeit betriebenen DAOs nicht völlig frei von menschlichem Einfluss. Die Spielregeln, nach denen die automatisierten Prozesse der DAO ablaufen, werden von Menschen festgelegt. Dies geschieht entweder bereits bei der Programmierung der DAO oder im laufenden Betrieb durch Festlegung der Grenzen, in denen sich die DAO bewegen soll.

Etwa bei einer DAO, die Kapital investieren und so Renditen erzeugen soll, erhalten die Investoren für das zur Verfügung gestellte (Krypto-) Kapital sog. Token, die das eingezahlte Kapital und die Beteiligungsrechte, etwa Stimm- und Dividendenrechte, widerspiegeln. Mit diesen Stimmrechten können die Investoren gemeinsam bestimmen, in welche Projekte das zur Verfügung gestellte Kapital investiert werden soll. Sobald eine Entscheidung getroffen ist, übernimmt der Algorithmus und führt die Geschäfte im vorgegebenen Rahmen aus, ohne, dass Intermediäre eingeschaltet werden müssen.

Im Falle der Decentraland DAO fungiert die DAO als „Verwaltungsapparat“, der das Decentraland Metaversum und seine Vermögenswerte verwahrt und betreibt. Die Nutzer des Decentraland Metaversums können durch ihre Mitbestimmungsrechte an Abstimmungen über Upgrades der virtuellen Landflächen des Decentraland, Gebühren auf dem Marktplatz oder die Gewährung von MANA (der eigenen Währung des Decentraland Metaversum) für Weiterentwicklungsmaßnahmen teilnehmen und so das Metaversum aktiv mitgestalten.

In beiden Fällen besteht der menschliche Einfluss auf die DAO daraus, die Grenzen und Grundlagen der Aktivitäten der DAO festzulegen. Die Umsetzung dieser Vorgaben und das Tagesgeschäft erfolgt vollständig automatisiert.

III. DAOs im Aufwärtstrend

Der Trend einer stetig wachsenden Begeisterung für DAOs, lässt sich bereits am derzeit von DAOs verwalteten Vermögen von etwa 12,6 Milliarden Dollar und den ca. 1,8 Millionen aktiven Nutzern, die ihre Mitbestimmungs- und Gestaltungsrechte ausüben, erkennen. Neben den bereits angesprochenen Anwendungen als Investitions-DAO und Government-DAO gibt es noch viele weitere Möglichkeiten die Vorteile der DAOs zu nutzen.

DAOs können beispielsweise für Spendenorganisationen genutzt werden. Die autonome Führung der Geschäfte reduziert den personellen Aufwand der Organisation und erlaubt es, mehr des gespendeten Geldes dem Zweck zuzuführen, für den eigentlich gespendet werden sollte. Zudem machen die Transparenz und Dezentralität möglich, das gespendete Geld auf dem Weg zu seinem Ziel zu verfolgen und sicherzustellen, dass es auch dort ankommt.

Großer Beliebtheit erfreuen sich auch sog. Social DAOs. Diese bringen die Mitglieder in Online-Communities zusammen, die sich mithilfe von Token koordinieren. Ein Beispiel für eine solche Social DAO ist die Friends With Benefits DAO. Um hier Mitglied zu werden, muss ein Antrag eingereicht und eine bestimmte Anzahl der DAO eigenen FWB-Token erworben werden. Die Mitglieder der Friends With Benefits DAO werden im Gegenzug Teil einer Gemeinschaft, der bekannte Krypto-Entwickler, digitale Künstler und Content Creator angehören und erhalten Zugang zu exklusiven Veranstaltungen.

IV. DAOs und das Gesellschaftsrecht

Betrachtet man die DAOs nun rechtlich, stellen sich die DAOs ebenso komplex und vielseitig dar, wie technisch. Die dezentrale Natur der DAOs bringt bereits bei der Frage nach dem anwendbaren (Gesellschafts-) Recht die klassischen Bestimmungsmethoden an ihre Grenzen. Ein niedergeschriebenes deutsches internationales Gesellschaftsrecht gibt es bisher nicht, weshalb bei der Bestimmung des auf die DAOs anwendbaren Gesellschaftsrechts auf die bewährten Theorien, etwa die Sitztheorie und die Gründungstheorie, zurückgegriffen werden muss.

Der nach der Sitztheorie maßgebliche Verwaltungssitz einer Gesellschaft ist der Ort, an dem die Unternehmensleitung die grundlegenden Geschäftsentscheidungen trifft und umsetzt. Die grundlegenden Geschäftsentscheidungen einer DAO werden aber zeitgleich dezentral auf unzähligen Computern auf der ganzen Welt ausgeführt. Ebenso können sich die hinter der DAO stehenden menschlichen Beteiligten, die ihre Mitbestimmungsrechte nutzen, auf der ganzen Welt befinden und sind zumeist durch die Verwendung von Pseudonymen nicht identifizierbar. Damit scheidet die Zuordnung des anwendbaren Gesellschaftsrechts nach der Sitztheorie aus.

Ähnlich schnell gelangt man zu demselben Ergebnis, wenn man die Gründungstheorie heranzieht, die auf den Ort der Gründung einer Gesellschaft abstellt. Hier stellt sich bereits die Frage, worauf hinsichtlich der Gründung überhaupt abgestellt werden muss – der Programmierung, der Ablage auf der Blockchain oder doch erst durch die erste Beteiligung eines (weiteren) Menschen? Zudem sind, in aller Regel, DAOs nicht in Registern eingetragen und lassen auch sonst keine Rückschlüsse darauf zu, in welchem Staat sie gegründet bzw. programmiert wurden.

Andere Vorschläge, etwa auf jede einzelne Vertragsbeziehung das Recht anzuwenden, das dem jeweiligen Vertrag zugrunde liegt oder die Rechtsordnung des Staates, in dem Ansprüche von oder gegen die DAO geltend gemacht werden, stoßen ebenfalls auf nicht unerhebliche Hindernisse. Sowohl die Anknüpfung an die einzelnen Vertragsbeziehungen als auch an die Rechtsordnung des Staates, in dem Ansprüche geltend gemacht werden, führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit, weil die unzähligen und teilweise komplex ineinander verwobenen Vertragsstrukturen völlig zufällig zergliedert und aufgespalten werden.

V. Mögliche Risiken durch persönliche Haftung der DAO-Gesellschafter

Käme man nun auf dem einen oder anderen Wege zu dem Ergebnis, dass deutsches Gesellschaftsrecht anzuwenden wäre, schließt sich die Frage an, welcher Gesellschaftsform die DAO zuzuordnen ist.

Die AG, die GmbH, die Genossenschaft sowie auch der Verein setzen zwingend ein (menschliches) zentrales Geschäftsleitungsorgan voraus, was mit der dezentralen Natur der DAO unvereinbar ist; ganz abgesehen von den formellen Erfordernissen bei der Gründung dieser Gesellschaftsformen.

Weil mit der DAO von den Nutzern ein bestimmter gemeinsamer Zweck verfolgt wird, könnte die DAO als Gesellschaft bürgerlichen Rechts gem. §§ 705 ff. BGB oder im Falle handelsgewerblicher Tätigkeit als offene Handelsgesellschaft gem. §§ 105 ff. HGB eingeordnet werden. Allerdings haften in diesem Fall die DAO-Nutzer als GbR- bzw. OHG-Gesellschafter nach den Grundprinzipien des deutschen Personengesellschaftsrechts unmittelbar, gesamtschuldnerisch und unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen für die Verbindlichkeiten der DAO. Dies birgt bei der Vielzahl anonymer DAO-Nutzer, die sich aus den entlegensten Ecken der Welt an der DAO beteiligen können, erhebliche wirtschaftliche Risiken für die Teilnahme an DAO-Projekten. Zudem wäre eine GbR oder OHG etwa im Falle einer Investitions-DAO wegen der strengen regulatorischen Vorgaben des Finanzmarktes gar keine zulässige Rechtsform.

VI. Ausblick

Die DAO wirft als sehr junge Organisationsform noch viele komplexe rechtliche Fragen auf, die bei Fortbestehen des aktuellen Aufwärtstrends und dem Ausbau der Anwendungsmöglichkeiten, zu einem ebenso erheblichen Beratungsbedarf für die Teilhaber und Investoren solcher DAOs führen wird. Es wird dem Schrifttum, der Rechtsprechung und dem Gesetzgeber obliegen, für die umfassenden Fragen rund um die DAOs und das Web 3.0 passende Antworten und Konzepte zu entwickeln, um diese rechtssicher in das bestehende Repertoire menschlicher Organisationsformen einzuordnen.

 

Autor: Conrad Wiza

WEITERE BLOGBEITRÄGE

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