Metaverse Blog-Serie: Nr. 7

Steuerrecht

08. Dezember 2022

Bereits in unserem vierten Blog-Beitrag hatten wir uns der Frage gewidmet, ob im Metaverse verbindliche rechtliche Regeln gelten und wenn ja, welches Recht im Metaverse gilt. Ging es in jenem Artikel vorrangig um das anwendbare Zivilrecht, soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, welche steuerrechtlichen Regeln im Metaverse gelten.

Denkt man an das Metaverse, mag das Steuerrecht möglicherweise nicht das erste Rechtsgebiet sein, das einem in den Sinn kommt. Allerdings gehen die derzeit entstehenden Plattformen, die dem Metaverse zugerechnet werden, weit über die Nutzung als soziales Unterhaltungsmedium hinaus (vgl. dazu bereits im dritten Blog-Beitrag). Es wird erwartet, dass sich die Metaverse-Plattformen weiter in diese Richtung entwickeln und Nutzer sich in den virtuellen Welten vermehrt auch wirtschaftlich betätigen werden. So werden künftig unternehmerische Transaktionen und ganze Wertschöpfungsprozesse rein virtuell stattfinden. Einige Unternehmen unterhalten bereits heute virtuelle Repräsentanzen auf den Plattformen. Modelabels bieten schon jetzt rein virtuelle Kollektionen an, mit denen die Nutzer ihren Avatar im Metaverse einkleiden. Bezahlt wird der Erwerb solcher virtuellen Gegenstände oftmals mit Kryptowährungen (vgl. dazu unseren zweiten Blog-Beitrag).

Zudem ist bereits heute ein teilweise erhebliches Wertsteigerungspotential von virtuellen Gütern (beispielsweise NFT-Kunst oder Kryptowährungen) zu beobachten. Es erscheint daher durchaus naheliegend, dass im Metaverse steuerlich relevante Sachverhalte verwirklicht werden. So stellt sich die Frage, inwiefern das auf die physische Welt zurechtgeschnittene Steuerrecht mit den Besonderheiten eines virtuellen Metaversums kompatibel ist.

Virtuelle Sachverhalte, reale Wertzuwächse und deren Besteuerung

Die meisten, wenn nicht gar sämtliche, Steuerrechtsordnungen weltweit dürften bisher für die Besteuerung auch virtueller Vorgänge die realen natürlichen oder juristischen Personen heranziehen, die einen steuerlich erheblichen virtuellen Tatbestand verwirklichen. Damit stellt sich bereits heute das Problem, die Schnittstelle zwischen virtueller und realer Welt für Zwecke der Besteuerung zu definieren. Wann sind Einkünfte – vor allem, wenn sie rein virtuell, d.h. ohne Anknüpfung an die physische Welt erzielt werden – dem Steuerpflichtigen zugeflossen bzw. wann werden Einkünfte im Metaverse realisiert? Wie bestimmen sich die Herstellungskosten beispielsweise durch sog. Mining selbst erschaffener virtueller Güter? Und sind die Anknüpfungspunkte des internationalen Steuerrechts, also der Aufteilung von Besteuerungsrechten zwischen mehreren involvierten Staaten, vor dem Hintergrund einer sich digitalisierenden Welt in ihrer jetzigen Form überhaupt noch zeitgemäß?

Besteuerung „virtueller“ Transaktionen in Deutschland

Der wohl populärste durch das Digitalzeitalter „eingeführte“ neue steuerbare Vorgang dürfte die Realisierung von Wertveränderungen beim Handel mit Krypto-Assets sein. Diese Transaktionen haben derzeit noch einen relativ deutlichen Bezug zur realen Welt. Für die natürlichen oder juristischen Personen, die mit solchen Vermögenswerten handeln, ist in der Regel kein großer Unterschied zum Handel mit etablierten Kapitalmarktprodukten erkennbar.

Im deutschen Steuerrecht ergeben sich allerdings bereits an dieser Stelle erste Auslegungsfragen. Denn was genau veräußert ein Steuerpflichtiger in solchen Fällen überhaupt? Dass es sich bei Kryptowerten ganz allgemein um Wirtschaftsgüter handelt, dürfte dabei recht eindeutig zu bejahen sein. Denn diese sind Vermögenswerte, die einzeln veräußerbar und bewertbar und der Steuerpflichtiger kann über sie rechtlich oder zumindest wirtschaftlich verfügen. Insbesondere über die Blockchain-Technologie sind sie auch eindeutig zuordenbar.

Übertragung bestehender Regeln auf digitale Wirtschaftsgüter?

Etwas komplizierter ist die Frage, ob diese Wirtschaftsgüter gegebenenfalls weitere Merkmale erfüllen und damit steuerlichen Sonderregelungen unterliegen. Gilt für virtuelle Grundstücke beispielsweise, dass bei einem Verkauf innerhalb der für reale Grundstücke geltenden Spekulationsfrist (10 Jahre) eine „Spekulationssteuer“ zu zahlen ist? Gelten für Krypto-Kunst die für Kunstwerke anzuwendenden Vorschriften zur Erbschaft- und Schenkungsteuer? Sind Kryptowährungen Zahlungsmittel im Sinne der hierfür geltenden Umsatzsteuerbefreiung? Denkbar wären in allen diesen Fällen, dass diese entsprechend ihren Vorbildern aus der realen Welt zu qualifizieren sind und die hierfür geltenden Vorschriften Anwendung finden. Es könnte sich aber auch um Wirtschaftsgüter eigener Art („sui generis“) handeln, sodass andere Regelungen gelten müssten.

Die steuerliche Behandlung von Währungsgewinnen und -verlusten im Falle von Kryptowährungen wurde in der steuerlichen Fachliteratur bereits ausführlich diskutiert. Die Finanzverwaltung behandelt Kryptowährungen bereits für umsatzsteuerliche Zwecke als Zahlungsmittel, Ingame-Währungen in Onlinespielen dagegen nicht. Denn letztere können im Gegensatz zu Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether nicht außerhalb der jeweiligen Plattform als Zahlungsmittel verwendet werden. Hierbei bleibt die Frage offen, wie Kryptowährungen wie „Mana“ von der Plattform Decentraland zu beurteilen sind. Diese dienen als plattformeigene Kryptowährungen dem Zweck, Transaktionen auf der Plattform selbst („Ingame“) auszuführen, können allerdings auch außerhalb der Plattform auf den entsprechenden Krypto-Börsen gehandelt werden.

Besteuerung von rein plattforminternen Vorgängen

Insbesondere stellt sich jedoch die Frage nach der steuerlichen Behandlung von Vorgängen innerhalb der Metaverse-Plattformen, denen ein Bezug zur realen Welt weitgehend fehlt. In einem bemerkenswerten Urteil (BFH v. 18.11.2021, V R 38/19) hatte der BFH sich bereits mit der Frage auseinanderzusetzen, ob rein spielinterne Leistungsbeziehungen umsatzsteuerbar sind. Im Urteilsfall ging es um die Vermietung eines Grundstücks im Spiel „Second Life“ gegen Zahlung von Spielwährung. Hatte die Vorinstanz (FG Köln v. 13.08.2019, 8 K 1565/18) noch eine umsatzsteuerbare Tätigkeit angenommen, erteilte der BFH dieser Einordnung eine Absage. Durch den Mangel der „Verschaffung eines verbrauchsfähigen Vorteils“ durch rein spielinterne Vorgänge liege ein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch nicht vor. Anders wäre demnach allerdings der Tausch der erhaltenen Spielwährung gegen Fiat- oder Kryptowährung zu werten. Seit dem Urteil des BFH wird diskutiert, ob es eine weitgehende „Umsatzsteuerfreiheit“ des Metaverse impliziert.

Die Diskussionen machen vor allem deutlich, dass das bestehende Steuerrecht nur eingeschränkt kompatibel mit der Idee einer virtuellen Welt ist. Bestehende Interpretationsspielräume und Unschärfen dürften ab einem gewissen Punkt daher nicht mehr nur durch Auslegung der geltenden Regelungslage beantwortet werden, sondern irgendwann den Gesetzgeber auf den Plan rufen. Dennoch bleibt abzuwarten, ob dabei tatsächlich nur Klarheit oder aber neue Unschärfen geschaffen werden. Angesichts des Gestaltungsspielraums in einer virtuellen Welt bei der Schaffung neuer Assetklassen ist hier eher letzteres zu erwarten.

Internationale Besteuerung als Kardinalfrage

Fraglich ist zudem, wie ausländische Finanzverwaltungen oder -gerichte bzw. ausländische Gesetzgeber Leistungsbeziehungen im Metaverse einordnen (werden). Es ist zu erwarten, dass die verschiedenen Institutionen hier teils zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen werden. Vor noch größere Herausforderungen werden Unternehmen aber künftig mit der Frage gestellt, welches Steuerrecht überhaupt anwendbar ist.

Physische Präsenz des Steuerpflichtigen maßgeblich?

Die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft war bereits Anlass, die Kriterien der Abgrenzung internationaler Besteuerungsrechte auf OECD-Ebene neu zu definieren. Eine Virtualisierung wirtschaftlicher Aktivitäten durch das Metaverse dürfte diesen Prozess weiter beschleunigen und gegebenenfalls zu weiteren bzw. erneuten Diskussionen auf politischer Ebene führen.

Dabei deutet bereits das neue OECD-Konzept auf eine radikale Neuordnung der Verteilung von Besteuerungsrechten hin: Das bislang geltende und durch die meisten Staaten in ihren nationalen Steuerrechtsordnungen und bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen derzeit reflektierte Konzept stellt vor allem auf die physische Präsenz eines Steuerpflichtigen in einem Staat ab. Damit einhergehend werden Unternehmensgewinne vor allem dort besteuert, wo ein Unternehmen produziert, wo es wesentliche Teile der Verwaltung konzentriert und wo die wesentlichen Entscheidungen getroffen werden. In einer nicht-digitalisierten Welt sind dies die Orte, an denen nach überwiegender Übereinkunft die größten Wertschöpfungsbeiträge einer unternehmerischen Tätigkeit erzielt werden. Der reinen Verwertung unternehmerischer Leistungen am Markt wird bisher ein relativ geringer Wertschöpfungsbeitrag unterstellt.

In einer sich zunehmend digitalisierenden Welt wird dieses Verständnis des Öfteren infrage gestellt. Bei einem Suchmaschinenalgorithmus etwa, der durch das Verhalten seiner Nutzer automatisiert ständig „dazulernt“ (Machine Learning), verschwimmen zunehmend die Grenzen zwischen Produktion und Verwertung von Leistung. Daneben werden physische Präsenzen einer solchen digitalen Wertschöpfung immer weniger bedeutend: Serverstandorte lassen sich zunehmend beliebig verlagern; durch Cloudcomputing ist oftmals keine eindeutige Zuordnung zu einem physischen Standort mehr möglich. Mitarbeiter, deren Arbeitsergebnisse nicht materiell sind, können zunehmend remote arbeiten; ihre physische Präsenz an einem bestimmten Ort wird immer unbedeutender. Durch Automatisierung, Robotics, Machine Learning und – im Extremfall – künstliche Intelligenz entsteht Wertschöpfung beinahe völlig losgelöst von konkreten physischen Anknüpfungspunkten. Die Blockchain-Technologie macht öffentliche Register und damit die Anknüpfung an einen bestimmten Staat für den Nachweis von Rechten perspektivisch womöglich weniger bedeutend.

Entsprechend sollen die neuen OECD-Grundsätze dafür sorgen, dass Besteuerungsrechte in den Marktstaaten deutlich gestärkt werden. Anknüpfungspunkte der Besteuerung sind demnach die signifikante Präsenz in einem Marktstaat bzw. bei Digitalunternehmen die in einem bestimmten Staat vorhandene Nutzerbasis. Dies ist insofern konsequent, als dass auch bei der Bewertung von Digitalunternehmen im Markt deren Nutzerbasis eine erhebliche Rolle spielt.

Die von der OECD formulierten Grundsätze haben jedoch für sich genommen keinen verbindlichen Charakter. Entscheidend ist vielmehr die Umsetzung in das nationale Recht sowie die Berücksichtigung in zwischenstaatlichen Doppelbesteuerungsabkommen. Die Entwicklungen rund um das Metaverse werden den jüngst angestoßenen Prozessen aber voraussichtlich einen weiteren Schub verleihen. Damit dürften auch weitere politische Diskussionen um eine angemessene wertschöpfungsbasierte Besteuerung einhergehen – sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene.

Ausblick

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Entwicklungen rund um das Metaverse das Potenzial haben, auch im Steuerrecht signifikante Spuren zu hinterlassen. Die bedeutendsten Änderungen sind dabei mittelfristig im internationalen Steuerrecht zu erwarten. Allerdings ist auch nicht auszuschließen, dass der Gesetzgeber auf nationaler Ebene das Steuerrecht zur Anpassung an das Metaverse reformiert. Wenn beispielsweise reine Ingame-Transaktionen keine Steuerbarkeit begründen, diese aber eine fortlaufende Wertschöpfung darstellen, dürften politische Gerechtigkeitsdebatten vorprogrammiert sein.

 

Autor: Jens Knipping

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