Metaverse Blog-Serie: Nr. 6

Anmeldung und Verteidigung von Marken

18. November 2022

Im Metaverse mit seinen immersiven Technologien ergeben sich neue, aufregende Möglichkeiten, die eigenen Waren und Dienstleistungen zu vermarkten. Dieser Trend geht auch an den großen Konzernen nicht vorbei. Viele Unternehmen möchten die Chance nutzen, als Early Adopter auf Metaverse-Plattformen mit ihren Marken zu werben.

Doch inwiefern ist das deutsche und europäische Markenrecht schon bereit für das Metaverse und welche Besonderheiten sind bei der Anmeldung und Verteidigung von Marken im Metaverse zu beachten? Sind Unternehmen im Metaverse ohne entsprechende Marken völlig schutzlos gestellt?

In diesem Beitrag widmen wir uns den wichtigsten, rechtlichen Aspekten aus dem Markenrecht und erklären aus der Praxis anhand von konkreten Beispielen, was es bei der Anmeldung und der Verteidigung von Marken im Metaverse zu beachten gibt.

Einführung ins Metaverse

Falls das Thema „Metaverse“ für Sie gänzlich neu ist, sehen Sie sich gerne unsere ersten Beiträge über die Grundlagen des Metaverse durch:

Die Konzerne entdecken das Metaverse

Vor allem jüngere Konsumenten verbringen ihre Zeit mehr und mehr in virtuellen Räumen wie Roblox oder Fortnite. Diese Gaming-Plattformen bedienen dabei aber nicht nur den Spieltrieb, sondern sind zugleich digitale Foren, in denen sich die Spieler austauschen. Dabei sind viele der aktuell erfolgreichsten Computerspiele kostenlos erhältlich und finanzieren sich ausschließlich über den Erwerb virtueller Güter.

So entsteht um den Erwerb von virtuellen Gütern auf diesen Plattformen ein eigener Wirtschaftszweig mit erheblichem Potenzial. Dies zeigen auch Kooperationen wie die zwischen Dolce & Gabbana und dem NFT-Marktplatz UNXD. Das Modeunternehmen versteigerte auf der Plattform mehrere Kleidungsstücke, die zugleich als „physisches“ Stück und als NFT erworben werden konnten, sowie den NFT eines rein digitalen Schmuckstücks, insgesamt für umgerechnet 5 Millionen Euro.

Neben dem Verkauf von virtuellen Gütern als NFTs, dienen die Metaverse-Plattformen auch als Werbefläche für den Verkauf von Gütern in der physischen Welt. Indem die Plattformen nicht an die physikalischen Grenzen der analogen Welt gebunden sind, bieten sie einen maximalen Gestaltungsraum für die Platzierung von Werbung. So kann im Metaverse etwa der neue Sneaker eines Modeunternehmens in einer riesigen 3-D Animation im virtuellen Himmel schweben und von vielen Millionen Nutzern rund um die Welt gleichzeitig bestaunt werden.

Einige bekannte Marken machen sich diese Werbemöglichkeiten bereits zunutze. Vorreiter sind hier etwa Nike, die mit Nikeland ein eigenes Videospiel auf der Plattform Roblox entwickelt haben. Einen etwas anderen Weg gehen Balenciaga, die mit Afterworld ein eigenes Computerspiel abseits der etablierten Plattformen geschaffen haben. Auch Ereignisse wie die Metaverse Fashion Week von Decentraland, bei der die Teilnehmer tragbare NFTs kaufen können, gewinnen an Bedeutung.

Goldgräberstimmung im Metaverse – Markenverletzungen vorprogrammiert

Wie auch in der physischen Welt ist man im Metaverse nicht vor Markenverletzungen gefeit. Dies zeigen etwa die jüngsten Fälle unberechtigt erstellter, digitaler Güter, die als NFTs gehandelt werden und dabei eingetragene Markenrechte verletzen.

Eines der prominentesten Beispiele hierfür ist der „MetaBirkins“-Fall in den USA (Hermès International et al. v Mason Rothschild, 22-cv-00384 (SDNY)), in dem das Mode-Unternehmen Hermès den Künstler Rothschild verklagte, weil er im Metaverse etwa 100 NFTs geschaffen und vermarktet hatte, die der berühmten Birkin-Tasche sehr ähnlich waren und die er als „MetaBirkins“ verkaufte – NFTs für über 1 Million Dollar. Die Entscheidung des Gerichts steht noch aus, aber das Ergebnis dürfte als wegweisende Entscheidung auf dem Gebiet der Markenrechtsverletzung im Metaverse gelten.

In einem ähnlich gelagerten Fall (Nike Inc. v StockX LLC, 22-cv-983 (SDNY)) klagte Nike gegen den Metaverse-Marktplatz StockX, weil dieser NFTs von Schuhen anbietet, die an physische Versionen von begehrten Nike-Sneakern angelehnt sind. Auch dieser Rechtsstreit spielt vor US-Gerichten und ist noch nicht entschieden.

Schutz über international anerkanntes Klassifizierungssystem

Wie also können Markeninhaber nun sicherstellen, dass ihre Marken in der digitalen Welt geschützt sind?

Ein besonders hoher Markenschutz besteht gegen die Verwendung von Zeichen, die mit der Marke identisch sind und für eine Ware oder Dienstleistung verwendet werden, für welche die Marke eingetragen ist (sog. Doppelidentität). Nur unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Marke auch gegen die Verwendung eines ähnlichen Zeichens für ähnliche Waren/Dienstleistungen geschützt sein. Daneben besteht ein zusätzlicher Schutz gegen eine Rufausbeutung nur für besonders bekannte Marken.

Der Schutzbereich einer Marke wird also maßgeblich durch die Waren und Dienstleistungen bestimmt, für welche sie bei den entsprechenden Markenämtern eingetragen wurde. Die meisten Markenämter weltweit verwenden hierfür ein Markenklassifikationssystem, das ähnliche Waren oder Dienstleistungen in 45 verschiedene Klassen über die sogenannte Nizza-Klassifikation einteilt.

Anmeldung von Marken für das Metaverse – Welche Klassen sind die Richtigen?

EU-Marken für virtuelle Waren müssen in der für Informationstechnik relevanten Klasse 9 eingetragen werden. Dies erklärte das für die Prüfung und den Schutz von EU-Marken zuständige Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO).

Dabei muss der Inhalt, auf den sich die Waren beziehen, näher spezifiziert werden. Beispielsweise ist der Begriff „herunterladbare virtuelle Waren“ aus Sicht des EUIPO unspezifisch, während Begriffe wie „virtuelle Bekleidung“ in Klasse 9 eintragungsfähig sind. Ein digitales, herunterladbares Kleidungstück, welches durch ein NFT authentifiziert wird, sollte entsprechend als „herunterladbare, durch NFT authentifizierte Beleidung“ spezifiziert werden.

Ergänzende Dienstleistungen sollten in den Klassen 35 (z.B. „Einzelhandelsdienstleistungen rund um virtuelle, nicht herunterladbare Waren“), 36 (z.B. „Finanzdienstleistungen, einschließlich digitaler Zahlungsmittel“) sowie 41 (z.B. „Bildungsangebote und Unterhaltungsdienstleistungen in virtuellen Umgebungen, nicht herunterladbar„) und 42 (z.B. für „technische Dienstleistungen in Bezug auf virtuelle Waren und NFTs“; „Software as a Service“) eingetragen werden.

Einige Unternehmen wurden hier bereits aktiv, um ihren Schutz frühzeitig zu sichern. Dies zeigen die folgenden Beispiele von Markenanmeldungen im Zusammenhang mit dem Metaverse:

  • McDonald’s hat McDONALD’sMCCAFE und sein M-Logo a. für „virtuelle Nahrungsmittel- und Getränkeprodukte“ in Klasse 9 eingetragen.
  • Crocs hat eine Marke für CROCS a. für „Einzelhandelsdienstleistungen und Online-Einzelhandelsdienstleistungen mit virtuellen Waren“ in Klasse 35 angemeldet.
  • Kiehl’s hat eine Marke für KIEHL’S a. für „Unterhaltungsdienstleistungen, nämlich die Bereitstellung von nicht herunterladbaren virtuellen Parfümerien, Toilettenartikeln, Kosmetika, Make-up und Hautpflegemitteln“ in Klasse 41 eingetragen.
Kritik an der Anmeldepraxis des EUIPO

Die Praxis des EUIPO, alle virtuellen Waren in Klasse 9 zu verorten, wird teilweise kritisiert. Mit fortschreitender Relevanz der digitalen Räume würden immer längere Warenlisten in Klasse 9 entstehen. Dies werde auch den teils sehr unterschiedlichen Kategorien von Waren nicht immer gerecht.

Deshalb wird teilweise vorgeschlagen, dass die Klassen für physische Waren auch ihre entsprechenden virtuellen Gegenstücke umfassen sollten. So würde etwa die Anmeldung einer Marke für Schuhe in Klasse 25 zugleich eine Anmeldung für „digitale“ Schuhe umfassen. Dadurch könnte die Beurteilung eines Markenverletzungsfalls vereinfacht werden (mehr dazu weiter unten). Für eine solche Lösung spricht, dass es sich bei vielen der digitalen Plattformen zunehmend um gesellschaftliche Foren handelt, welche die reale Welt in Teilen ersetzt oder sie im Rahmen von AR-Anwendungen ergänzt. Andererseits sind digitale Waren in ihrer Herstellung und Funktion nicht in jeder Hinsicht mit ihren analogen Gegenstücken vergleichbar. Es erscheint daher zweckmäßig diese in einer eigenen Klasse zu verorten.

Nach einem weiteren Ansatz sollten deshalb Unterklassen für virtuelle Waren geschaffen werden, sodass digitale Bekleidung etwa in einer neuen Klasse 25.1 zu verorten wäre. Die Einführung eines neuen Systems von Unterklassen wäre jedoch mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden, sodass eine Umsetzung dieser Lösung als unwahrscheinlich gilt.

Verteidigung der Marken gegen Verletzungen – Doppelidentität, Verwechslungsgefahr und Rufausbeutung

Ist eine Marke für digitale Waren und ergänzende Dienstleistungen eingetragen, muss sie auch entsprechend verwendet und verteidigt werden. Wird eine EU-Marke fünf Jahre (in anderen Jurisdiktionen bereits ab drei Jahren) nicht benutzt, verfällt sie. Werden Nutzungen der Marke durch Dritte geduldet, können Ansprüche zur Verteidigung der Marke verwirken.

Wie bereits weiter oben erwähnt, können Marken in Fällen der Doppelidentität (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) und unter dem Aspekt der Verwechslungsgefahr (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) gegen Dritte verteidigt werden. Bei bekannten Marken kommt der Schutz gegen eine Rufausbeutung hinzu (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG).

Am deutlichsten werden die Verteidigungsmöglichkeiten anhand eines Beispiels. Nehmen wir einmal den bereits erwähnten „MetaBirkins“-Fall, welcher derzeit vor US-Gerichten verhandelt wird, und schauen uns an, wie dieser nach europäischem Recht zu beurteilen wäre.

Die Klägerin Hermès hat in der EU keine eingetragene Marke für „MetaBirkins“, sodass ein Fall der Doppelidentität (Nutzung eines identischen Zeichens für identische Waren/Dienstleistungen) ausscheidet. Hätte die Klägerin eine solche Marke, müsste diese nach der erwähnten Praxis des EUIPO in den erwähnten Nizza-Klassen eingetragen worden sein, um eine Doppelidentität zu begründen.

Eine Verletzung käme unter dem Aspekt der Verwechslungsgefahr in Betracht. Hermés ist Inhaberin der Wortmarke „BIRKIN“ und für eine Ähnlichkeit zu dem verwendeten Zeichen „MetaBirkins“ spricht, dass der Zusatz „Meta“ eine eher beschreibende Funktion hat und daher maßgeblich auf den insoweit prägenden Bestandteil „Birkins“ abzustellen ist.

Allerdings stellt sich hier die Frage, inwieweit die Waren „Taschen“, für welche die Marke „BIRKIN“ in der Klasse 18 registriert ist, mit den digitalen „MetaBirkins“-Taschen vergleichbar sind. Einerseits kann eine digitale Tasche, ebenso wie eine Tasche im realen Leben, getragen und zur Schau gestellt werden. Je nach Funktion der Plattform können darin auch Gegenstände gelagert werden. Andererseits sollen Marken auch dem Zweck dienen, gewisse Erwartungen des Verkehrs an die Qualität einer Ware zu schützen (sog. Qualitätsfunktion). Hierbei ergeben sich einige Unterschiede zwischen digitalen und analogen Waren. Denn nur weil ein Unternehmen besonders qualitativ hochwertige Lederwaren vertreibt, kann nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass dieses Unternehmen auch ein qualitativ hochwertiges, auf Software basierendes, digitales Produkt auf den Markt bringt.

Bei der Marke „BIRKIN“ könnte es sich aber um eine „im Inland bekannte Marke“ handeln, wie ein deutsches oberinstanzliches Gericht dies bereits für die „Kelly-Bag“ von Hermès angenommen hat (OLG Köln, Urteil vom 28. 4. 2006 – 6 U 121/05). Eine Ausnutzung des guten Rufs und der Wertschätzung liegt daher durchaus nahe.

Letztlich ist abzuwarten, wie die US-Gerichte den Fall entscheiden und wie deutsche und europäische Gerichte diese Frage beurteilen werden. Im Hinblick auf die derzeitige Praxis des EUIPO ist aber davon auszugehen, dass ein rechtssicherer Weg nur darin bestehen kann, Marken, die im Metaverse geschützt werden sollen, auch in den entsprechenden Markenklassen einzutragen.

Rufausbeutung, Wettbewerbsrecht, Urheberrecht, Designrecht

Auch ohne in für das Metaverse relevante Klassen eingetragene Marke sind Unternehmen nicht schutzlos gestellt. Neben dem erwähnten Schutz von bekannten Marken gegen Rufausbeutung kann unter bestimmten Voraussetzungen auch ein ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ein Vorgehen gegen Nachahmungen ermöglichen. Ist eine bestimmte 2D- oder 3D-Gestaltung als Design (auch Geschmacksmuster genannt) im jeweiligen Register eingetragen, kann auch gegen die digitale Darstellung dieser Form im Metaverse vorgegangen werden. Handelt es sich bei den benutzen digitalen Waren um urheberrechtlich geschützte Werke, können auch urheberrechtliche Ansprüche bestehen.

Folgen für die Markenstrategie von Unternehmen

Um Vermögenswerte zu schützen oder Rechte gegen sehr ähnliche oder identische Darstellungen ihrer Produkte im Metaverse durchzusetzen, sollten sich Markeninhaber nicht auf ihre bestehenden eingetragenen Marken stützen. Aus Gründen der Rechtssicherheit, sollten Markeninhaber nach der aktuellen Klassifizierungspraxis des EUIPO ihre europäischen Marken sowie ihre nationalen Marken in den 27 Jurisdiktionen der EU für virtuelle Waren in Klasse 9 und daneben in ergänzenden Dienstleistungsklassen anmelden. Bei der Anmeldung sollte darauf geachtet werden, dass die Waren und Dienstleistungen hinreichend präzisiert werden.

Auch eine rechtssichere Verteidigung von Marken ist nur dann möglich, wenn die Marken in den für das Metaverse relevanten Nizza-Klassen eingetragen wurden. Ist dies nicht der Fall, können unter Umständen der ergänzende Leistungsschutz nach dem UWG, das Urheberrecht und der Designschutz Abhilfe schaffen. Bekannte Marken können auch unter dem Aspekt der Rufausbeutung geschützt sein.

Es bleibt weiterhin zu beobachten, wie sich die Praxis der Markenämter und die Rechtsprechung im Bereich der „Metaverse-Marken“ entwickeln werden und welche Rolle dabei die übrigen genannten Schutzmöglichkeiten spielen werden.

 

Autoren: Carolin von Fritsch und Rolf Tichy

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