HR.Law

Kurzarbeit und Urlaub?

15. März 2021

Urlaubsanspruch wird während Kurzarbeit gekürzt

Es ist nun ein Jahr her, dass Deutschland erstmals die Auswirkungen der Corona-Pandemie zu spüren bekam. Präventive Maßnahmen zum Infektionsschutz und Auftragsausfälle führten dazu, dass in einem bisher nicht gekannten Ausmaß Kurzarbeit eingeführt wurde. Bereits im April 2020 wurde für 6 Millionen Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld gezahlt.[1] Nach fast einem Jahr in Kurzarbeit stellt sich nun für viele Arbeitgeber die Frage: wie viel Urlaub steht meinen Arbeitnehmern eigentlich zu? Bekommen Arbeitnehmer, die ein ganzes Jahr in Kurzarbeit Null waren, ihren kompletten Jahresurlaub?

Am vergangenen Freitag hat erstmals ein Landesarbeitsgericht seine Entscheidung zu dieser Frage veröffentlicht: Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entschied, dass der Urlaubsanspruch für Zeiten der Kurzarbeit anteilig zu kürzen ist (LAG Düsseldorf, 12. März 2021 – 1 Ca 2155/20).

Dieser Beitrag erläutert den rechtlichen Hintergrund der Entscheidung und zeigt, wie der Urlaubsanspruch unter Berücksichtigung der Kurzarbeit konkret zu berechnen ist.

A. Unsichere Rechtslage im Hinblick auf Kürzung

Die Fragen, ob der Urlaubsanspruch während der Kurzarbeit faktisch gekürzt wird und ob eine solche Kürzung ausdrücklich erklärt werden muss, waren und sind bisher nicht vom BAG entschieden worden. Wenige Vertreter der Fachliteratur und der DGB argumentierten dafür, dass der Urlaubsanspruch nicht gekürzt werden dürfe, denn konjunkturbedingte Kurzarbeit entspreche dem Interesse des Arbeitgebers. Die Arbeitnehmer dagegen hätten während Kurzarbeit keine Freizeit, sondern unterlägen Meldepflichten und müssten jederzeit damit rechnen, dass die Kurzarbeit durch den Arbeitgeber beendet werde. Daher fehle es an einer Planbarkeit für die freie Zeit.

Die herrschende Meinung in der Fachliteratur ging indes davon aus, dass der Urlaubsanspruch während der Kurzarbeit gekürzt werden könne. Arbeitnehmer in Kurzarbeit seien im Hinblick auf die Urlaubsansprüche so zu behandeln, wie Arbeitnehmer in Teilzeit. Deren Urlaubsanspruch bemesse sich anhand der konkret gearbeiteten Tage. Diese Wertung teilten das Landesarbeitsgericht Düsseldorf und – in erster Instanz – auch das Arbeitsgericht Essen.

B. Rechtlicher Hintergrund

Im Rahmen der Kurzarbeit sind zwei verschiedenen Ebenen zu differenzieren: Zum einen gibt es die sozialversicherungsrechtliche Ebene zwischen dem Arbeitgeber und der Bundesagentur für Arbeit sowie dem Arbeitnehmer und der Bundesagentur für Arbeit. Diese Ebene betrifft die Gewährung von Kurzarbeitergeld und die Meldepflichten des Arbeitnehmers.

Von dieser Ebene ist die arbeitsvertragliche Ausgestaltung der Kurzarbeit grundsätzlich zu trennen. Nach der Definition des BAG ist Kurzarbeit die vorübergehende Kürzung des Volumens der regelmäßig geschuldeten Arbeitszeit bei anschließender Rückkehr zum ursprünglich vereinbarten Zeitumfang (Vgl. BAG, Urt. v. 18.11.2015 – 5 AZR 491/14). Diese Kürzung der Arbeitszeit geschieht durch Einführung der Kurzarbeit, z.B. durch Betriebsvereinbarung oder durch Individualabrede mit dem Arbeitnehmer.

Das BAG hat bereits entschieden, dass für Zeiten eines vereinbarten unbezahlten Sonderurlaubs grundsätzlich kein Anspruch auf bezahlten Urlaub besteht (Vgl. BAG, Urt. v. 19.03.2019 – 9 AZR 406/17). Dazu hat das BAG ausgeführt, dass sich eine Reduzierung des Urlaubsanspruchs bereits aus dem Grundgedanken des Bundesurlaubsgesetz ergibt. Die Anzahl der Urlaubstage ist daher mit der Anzahl der Tage an denen Arbeitspflicht besteht verknüpft. Entscheidend für die Anzahl der Urlaubstage sind daher die Tage an denen eine Arbeitspflicht besteht. In einem anderen Fall hat das BAG zur Freistellungsphase im Rahmen eines Blockmodells zur Altersteilzeit bereits entschieden, dass während der Freistellungsphase keine Ansprüche auf bezahlten Urlaub entstehen (Vgl. BAG, Urt. v. 03.12.2019 – 9 AZR 33/19). Der EuGH hatte in einer Entscheidung zur Altersteilzeit bereits festgestellt, dass dieser Wertung mit Unionsrecht im Einklang steht (Vgl. EuGH, 13.12.2018 – C-385/17). Auch der EuGH meint, dass die Voraussetzungen für die Entstehung eines Urlaubsanspruchs das Bestehen einer Arbeitspflicht ist.

Überträgt man diese Wertungen auf die Kurzarbeit, so ergibt sich, dass die Einführung von Kurzarbeit so zu behandeln ist, wie jeder Wechsel der Arbeitszeit, beispielsweise von einer Vollzeit- zu einer Teilzeittätigkeit.

C. Reduzierte Kurzarbeit

Sofern während der Kurzarbeit noch gearbeitet wird, z.B. weil die Arbeitspflicht nur um 50 % reduziert wird, so wird der Urlaubsanspruch nach der Formel des BAG zur Urlaubsberechnung bei unterjährigem Wechsel der Arbeitszeit (genauer, der Arbeitstage) berechnet (Vgl. BAG, Urteil vom 10. Februar 2015 – 9 AZR 53/14 (F)).

Das bedeutet, der Urlaubsanspruch entsteht für die Dauer der Kurzarbeitsphase entsprechend der festgelegten Arbeitstage. Hat der Arbeitnehmer vor Beginn der Kurzarbeitsphase fünf Tage pro Woche gearbeitet und arbeitet er weiterhin fünf Tage pro Woche (halbtags), ändert sich die Zahl der Urlaubstage nicht. Arbeitet während der Kurzarbeitsphase statt fünf nun vier Tage pro Woche, so entsteht für jeden vollen Monat der Kurzarbeitsphase 1/12 des reduzierten Jahresurlaubsanspruchs. Die übrigen Monate werden mit je 1/12 des Vollzeitjahresanspruchs gerechnet.

Beispiel:

Der Arbeitnehmer hat 30 Urlaubstage bei 5 Arbeitstagen pro Woche. Bis zum 30 Juni arbeitet der Arbeitnehmer an 5 Tagen pro Woche. Ab dem 1. Juli arbeitet er für den Rest des Jahres an 4 Arbeitstagen pro Woche. Für die ersten sechs Monate des Jahres erwirbt der Arbeitnehmer pro Monat 1/12 seines vollen Jahresurlaubsanspruchs. Für die letzte sechs Monate beträgt der Anspruch je 1/12 des reduzierten Jahresurlaubsanspruchs:

30 Urlaubstage x 6/12 = 15 Urlaubstage

30 Urlaubstage x 6/12 x 4/5 = 12 Urlaubstage

Insgesamt besteht also ein Urlaubsanspruch in Höhe von 27 Urlaubstagen für das ganze Jahr.

D. Kurzarbeit Null

Diese Formel gilt nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auch bei der Einführung von Kurzarbeit Null, wenn der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit Null also gar nicht arbeitet.

In dem oben dargestellten Beispiel beträgt der Urlaubsanspruch für die zweite Jahreshälfte daher 0 Urlaubstage. Insgesamt hat der Arbeitnehmer also einen Urlaubsanspruch in Höhe von 15 Urlaubstagen.

E. Kurzarbeit Null mit sporadischen Arbeitseinsätzen

Wenn grundsätzlich Kurzarbeit Null eingeführt wurde, der Arbeitnehmer aber für vereinzelte Aufträge wieder zur Arbeit herangezogen wird, liegt auf der arbeitsvertraglichen Ebene eine so genannte schwankende Arbeitszeit vor. Für diese Fälle hat das BAG bereits im Jahr 2019 (Vgl. BAG, Urt. v. 19.3.2019 – 9 AZR 406/17) folgende Formel zur Arbeitszeitberechnung festgelegt:

24 Werktage Urlaub x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht: 312 Werktage

Wenn ein Arbeitnehmer z.B. einen Anspruch auf 30 Urlaubstage (basierend auf einer fünf Tage Woche) hat und während eines ganzen Jahres in Kurzarbeit Null an insgesamt 40 Tagen gearbeitet hat, ist der Urlaubsanspruch wie folgt zu berechnen:Diese Formel geht von dem Mindesturlaubsanspruch des BUrlG von 24 Werktagen und einer Woche mit 6 Werktagen (Montag bis Samstag) aus. Sie ist entsprechend auf Kurzarbeitsphasen mit schwankenden Arbeitszeiten zu übertragen. Die Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht ist dabei für jeden Arbeitnehmer einzeln zu dokumentieren und nachzuhalten.

36 Werktage Urlaub x 40 Tage mit Arbeitspflicht: 312 Werktage

Es besteht ein Jahresurlaubsanspruch in Höhe von 4,6 Tagen.

F. Praxistipp

Auch wenn die Kürzung des Urlaubsanspruchs nach der dogmatischen Betrachtung automatisch eintritt, sollte sie den Arbeitnehmern gegenüber auch schriftlich erklärt werden, wie z.B. bei der Kürzung des Urlaubsanspruchs während der Elternzeit.

Dies hat auch den Vorteil, dass Arbeitnehmer von Beginn an wissen, wie mit ihrem Urlaubsanspruch verfahren wird und sich nicht am Ende des Jahres „überrumpelt“ fühlen.

Wenn Arbeitnehmer während der Kurzarbeitsphase Null sporadisch arbeiten, sollten diese Arbeitseinsätze zum einen für die Beantragung des Kurzarbeitergeldes zum anderen für die Urlaubsberechnung genau dokumentiert werden. Da sich der Urlaubsanspruch rein anhand der Anzahl der Tage berechnet, an denen gearbeitet wird, sollte grundsätzlich jeder Tag mit Arbeit – seien es auch nur wenige Stunden – gezählt werden.

[1] Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB): Durchschnittliche Arbeitszeit und ihre Komponenten in Deutschland; Bundesagentur für Arbeit: Realisierte Kurzarbeit (hochgerechnet, Monatszahlen).

Autorin: Dr. Martina Berenbrinker 

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