Betriebsrenten aussetzen im Schutzschirm­verfahren – Liquidität auf Kosten der Rentner?

14. Mai 2020

14. Mai 2020 –

Die Corona-Krise löst in Unternehmen durch den Umsatzausfall bei häufig gleichen Kosten erhebliche finanzielle Schwierigkeiten aus. In solchen Krisen sind Unternehmen naturgemäß gezwungen auf die Möglichkeiten des Insolvenzrechts wie z.B. das Schutzschirmverfahren zurückzugreifen. Das Schutzschirmverfahren gemäß « § 270b Insolvenzordnung »  ist eine Art « Eigenverwaltung » zur Vorbereitung eines Insolvenzverfahrens vor dessen eigentlicher Eröffnung. Wenn ein Unternehmen einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in « Eigenverwaltung » stellt, muss das « Insolvenzgericht » ihm bis zu 3 Monaten Zeit für die Ausarbeitung eines Insolvenzplans verschaffen. Für die dreimonatige Vorbereitungszeit wird ein vorläufiger « Sachwalter » vom « Insolvenzgericht » bestellt.

Prominentes Beispiel für ein Schutzschirmverfahren ist aktuell die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof. Weiter wurde bekannt, dass die Warenhauskette seit April die Zahlungen der Betriebsrenten eingestellt hat. Auch die Thomas Cook Tochter Condor hatte im November vergangen Jahres während eines laufenden Schutzschirmverfahrens die Zahlungen an ihre Betriebsrentner eingestellt. Zwar war der Gegenwind in der Presse für beide Unternehmen erwartungsgemäß groß, allerdings ist ihr Vorgehen zur Liquiditätssicherung durchaus üblich. Warum tausende Rentner zunächst leer ausgehen müssen, die Zahlungen aber nachgeholt werden, stellen wir im Folgenden dar.

I. Normalfall: Insolvenzeröffnung – Eintrittspflicht des PSV

Werden dem Arbeitnehmer Leistungen im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung als Direktzusage zugesagt, sind diese nach § 7 Abs. 1 BetrAVG durch den Pensionssicherungsverein („PSV“) geschützt. Im Falle einer beantragten Unternehmensinsolvenz (oder der Antragsablehnung mangels Masse), wenn der Arbeitgeber also außerstande ist, die Betriebsrenten zu bedienen, übernimmt der PSV die Zahlung der Betriebsrenten und sichert die Anwärter. Vor diesem Zeitpunkt besteht noch keine Einstandspflicht des PSV. Tritt der PSV ein, hat er künftige und auch rückständige Rentenzahlungen der letzten 12 Monate zu tragen (§ 7 Abs. 1a BetrAVG).

II. Schutzschirmverfahren als Sonderfall

Voraussetzung für eine Zahlung der Betriebsrenten durch den PSV ist also stets, dass eine Einstandspflicht besteht. Genau hier liegt die Besonderheit des Schutzschirmverfahrens, denn im Stadium des Schutzschirmverfahrens ist der PSV noch nicht einstandspflichtig. Das Schutzschirmverfahren ist kein Sicherungsfall gemäß § 7 Abs. 1 BetrAVG, sondern lediglich eine Vorstufe dazu. Der Arbeitgeber wiederum zahlt aber die Betriebsrenten im Schutzschirmverfahren liquiditätswahrend nicht, da der Sicherungsfall (Eröffnung Insolvenzverfahren) in bis zu drei Monaten absehbar ist und ab diesem Zeitpunkt der PSV rückwirkend die Betriebsrenten der letzten 12 Monate zahlt.

Das Schutzschirmverfahren ist eine spezielle Ausprägung der Insolvenz in Eigenverwaltung. Es ist dem eigentlichen Insolvenzverfahren vorgeschaltet und bietet dem Arbeitgeber, auf freiwilliger Basis, die Möglichkeit, strategisch und größtmöglich selbstgestaltend die eigene Insolvenz einzuleiten. Während ein verspäteter Insolvenzantrag strafbewährt ist, soll das in § 270b InsO normierte Schutzschirmverfahren Anreize für eine möglichst frühzeitige Antragstellung bieten. Liegt lediglich drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vor, bietet dieses Verfahren der Geschäftsleitung des Unternehmens die Chance, entscheidenden Einfluss auf den Sanierungsablauf zu behalten und einen schlagartigen Kontrollverlust abzuwenden. Das Unternehmen darf den für ihn zuständigen Sachwalter eigenständig wählen, der wiederum in das operative Geschäft nicht aktiv eingreift, sondern dieses (nur) intern überwacht. Ziel ist es, einen Sanierungsplan aufzustellen, der dann nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durchgeführt wird.

Weder der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens noch der Antrag auf das Schutzschirmverfahren stellen gemäß § 7 Abs. 1 BetrAVG einen Sicherungsfall dar, der einen Rechtsanspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge gegen den PSV begründet. Dieser tritt vielmehr erst dann ein, wenn das zuständige Amtsgericht das Insolvenzverfahren eröffnet hat oder die Eröffnung mangels Masse abgewiesen hat. In der Zwischenzeit entsteht also für die Anspruchsberechtigten eine (vorübergehende) Versorgungslücke. Anders als bei den aktiven Arbeitnehmern, die auch während des Schutzschirmverfahrens über die Insolvenzgeldvorfinanzierung ihre Gehälter beziehen, besteht eine vergleichbare Möglichkeit für die Betriebsrentner nicht. Der Arbeitgeber hält die Betriebsrentenzahlungen wegen der für ihn absehbaren Einreichung des Insolvenzplans und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurück, da der PSV nicht nur für die Betriebsrenten ab Eintritt des Sicherungsfalles einstandspflichtig ist, sondern auch für Zahlungsausfälle bis zu 12 Monate davor.

III. Verwertung anderen Vermögens zur Liquiditätssicherung für Betriebsrentner?

Was bleibt den Betriebsrentnern also, in dieser für sie unangenehmen Hängepartie? Sie könnten beispielsweise dazu übergehen für sie bestehenden Pfandrechte zu verwerten. Hierfür kommen etwa verpfändete Rückdeckungsversicherungen in Betracht. Alternativ könnten Zahlungen aus einem Treuhandvermögen (in Form eines Contractual Trust Agreement, kurz: CTA) in Betracht kommen. Beide Sicherungssysteme bestehen allerdings nur für eine recht geringe Zahl von Betriebsrentnern in Deutschland. Häufig ist auch dort erst die Eröffnung oder Ablehnung des Insolvenzverfahrens (nicht schon der Schutzschirm) zahlungsauslösend.

IV. Fazit

Eine mehrmonatige Zahlungsunterbrechung wie im Fall von Galeria Karstadt Kaufhof und Condor stellt keinen endgültigen finanziellen Verlust für die Betriebsrentner dar. Die Einstandspflicht des PSV umfasst nämlich wie dargestellt auch rückständige Versorgungsleistungen, soweit diese im Zeitraum von längstens zwölf Monaten zuvor entstanden sind. Die Zahlungen erfolgen also, wenn auch verspätet. Dass die zeitlich verzögerte Ausbezahlung dennoch im Einzelfall erhebliche Auswirkungen auf die Empfangsberechtigten haben kann, bleibt unwidersprochen. Aus Unternehmersicht stellt das Schutzschirmverfahren mit dem einhergehenden Auszahlungsstopp von Betriebsrenten gleichwohl ein Mittel zum schnellen Liquiditätsschutz dar. Auf einem anderen Blatt steht die Leistungsfähigkeit des PSV, sollte es in Deutschland coronabedingt bald zu zahlreichen Großinsolvenzen kommen. Das bleibt zu beobachten.

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