Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Pflichten von Emittenten im Rahmen der Finanzberichterstattung

01. April 2020

Im Rahmen der aktuellen Corona-Krise stellen sich für börsennotierte Aktiengesellschaften besondere Herausforderungen im Hinblick auf ihre Pflichten im Rahmen der laufenden Finanzberichterstattung.

« Regelungen im Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 » sucht man hierzu vergeblich. Jedoch haben die BaFin und die European Securities and Markets Authority (ESMA) zu einigen ausgewählten Fragen Empfehlungen ausgesprochen, die den Emittenten der Praxis zumindest einige Leitplanken an die Hand geben, und auch das Institut der Wirtschaftsprüfer hat in « zwei fachlichen Hinweisen » einige wertvolle Hinweise für den Umgang mit diesen Pflichten in der Krise gegeben.

Einige besonders relevante Themen sollen hier kurz beleuchtet werden.

1. Auswirkungen auf die laufende Finanzberichterstattung

Für die laufende Finanzberichterstattung mahnt die ESMA in einer « Stellungnahme vom 25. März 2020 » an, dass Emittenten die tatsächlichen und möglichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie im Rahmen der Finanzberichterstattung möglichst transparent darstellen sollen. Dies betrifft den Jahresabschluss (sofern noch nicht festgestellt) ebenso wie die anstehende Quartals- bzw. Halbjahresberichterstattung. Dabei sollen die Emittenten alle Informationen offenlegen, die erforderlich sind, um Anlegern ein Verständnis für die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Emittentin insgesamt zu ermöglichen. Zudem sollen die Risiken, die sich aus der COVID-19-Pandemie ergeben, in angemessener Weise offengelegt werden.

Dies setzt voraus, dass der Vorstand der Emittentin zunächst eine eigene Bewertung der aktuellen und möglichen zukünftigen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (und etwaiger behördlicher Maßnahmen zu ihrer Eindämmung) im Hinblick auf den Geschäftsbetrieb der Emittentin vornehmen muss. Zudem muss der Vorstand auch Maßnahmen zur Abmilderung negativer Effekte in Erwägung ziehen. Da die Entwicklung allerdings nach wie vor äußerst dynamisch verläuft, wird es für den Vorstand naturgemäß schwierig sein, die konkreten Auswirkungen auf Lieferketten oder den Produktionsprozess verlässlich zu bewerten oder sich ändernde Kundenbedürfnisse zutreffend zu prognostizieren. Gleiches gilt für die Auswirkungen der Krise auf die maßgeblichen wirtschaftlichen Kennzahlen.

Allerdings ergibt sich aus der erheblichen Unsicherheit in der gegenwärtigen Lage eben auch ein erheblicher Beurteilungsspielraum für den Vorstand. Als Faustregel sollte der Vorstand bei seiner Bewertung dennoch im Zweifel eher vorsichtig herangehen – immerhin der Kapitalmarkt dürfte derzeit einen negativen Ausblick bereitwilliger aufnehmen als vor der Krise.

In der Darstellung in der Finanzberichterstattung gilt es dann eine gesunde Balance aus der von der ESMA geforderten Transparenz einerseits, der erheblichen Unsicherheit jedoch andererseits zu finden. Da die die COVID-19-Pandemie in nennenswertem Umfang erst im Jahr 2020 aufgetreten ist, sind die zu erwartenden finanziellen Auswirkungen im Rahmen der Aufstellung von Jahresabschlüssen zum Stichtag 31. Dezember 2019 zunächst im Rahmen eines Nachtragsberichts als wertbegründendes Ereignis (und nicht als wertaufhellendes Ereignis) darzustellen. Außerdem sind die etwaigen Risiken (und Chancen) im Zusammenhang mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie im Rahmen des Lageberichts hinreichend konkret zu beschreiben. Schließlich sind im Rahmen der Prognoseberichterstattung die voraussichtlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie zu erläutern.

Ferner gilt es derzeit, ganz praktische Schwierigkeiten bei der Erstellung der Finanzberichterstattung zu überwinden. Denn angesichts der Einschränkungen in den Arbeitsabläufen angesichts von Ausgangsbeschränkungen und Homeoffice kommt es derzeit in vielen Fällen zu Verzögerungen bei der Erstellung der Finanzberichterstattung. Immerhin weist das Institut der Wirtschaftsprüfer in einer « Stellungnahme vom 25. März 2020 » darauf hin, dass abhängig von den Gründen für die Verzögerung in den meisten Fällen von einer unverschuldeten Verzögerung auszugehen sein wird. Daher kann im Fall einer verspäteten Offenlegung ggf. beim zuständigen Bundesamt für Justiz ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden, falls tatsächlich ein Ordnungsgeldverfahren eingeleitet werden sollte.

2. Ad-hoc-Pflicht bei erheblichen Abweichungen von kommunizierten Prognosen

Aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie wird es bei den finanziellen Kennzahlen von Emittenten vielfach zu (negativen) Abweichungen von den Prognosen kommen, die dem Kapitalmarkt in der Vergangenheit kommuniziert wurden. Erhebliche Abweichungen können dabei grundsätzlich eine Insidertatsache darstellen und damit zu einer Ad-hoc-Pflicht der Emittentin führen. Entsprechend erinnert auch die ESMA in ihrer « Stellungnahme vom 25. März 2020 » ausdrücklich an etwaige Offenlegungspflichten der Emittenten nach der Marktmissbrauchsverordnung.

Daher ist im Rahmen der laufenden Finanzberichterstattung stets im Einzelfall zu prüfen, ob eine Abweichung von den bisherigen Prognosen ggf. eine Insiderinformation darstellt. Die Prüfung ist gegenwärtig allerdings mit erheblichen Unsicherheiten verbunden.

Zum einen muss die Abweichung hinreichend wahrscheinlich sein. Insoweit hat die BaFin in ihren « Fragen und Antworten zur COVID-19-Lage (zuletzt geändert am 31. März 2020) » glücklicherweise klargestellt, dass eine Emittentin an ihrer bisherigen Prognose festhalten darf, wenn die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie für die Gesellschaft noch nicht hinreichend vorhersehbar sind. Sobald jedoch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die bestehenden Prognosen deutlich verfehlt werden, ist (vorbehaltlich eines erheblichen Kursbeeinflussungspotenzials, s.u.) davon auszugehen, dass eine Insiderinformation vorliegt. Dies gilt selbst dann, wenn eine konkrete neue Prognose zum betreffenden Zeitpunkt noch nicht möglich ist. In diesem Fall wäre es nämlich zu spät, eine Ad-Hoc-Mitteilung erst zu dem Zeitpunkt zu veröffentlichen, an dem die konkreten Auswirkungen für die Emittentin in ihren Einzelheiten bekannt sind. Daher sollte in diesem Fall die bestehende Prognose widerrufen werden, ohne zugleich konkrete neue guidance zu geben.

Zum anderen wird es vielfach erhebliche Schwierigkeiten bereiten zu bestimmen, ob die Abweichung tatsächlich erhebliches Kursbeeinflussungspotenzial aufweist. Denn die Aktienmärkte haben sich in den letzten Wochen extrem nervös und entsprechend volatil gezeigt. Entsprechend kommt das Vorliegen einer Insidertatsache nur bei einer deutlichen Abweichung der Geschäftszahlen von den zuvor kommunizierten Zielen in Betracht. Dabei ist die BaFin der Auffassung, dass im gegenwärtigen Umfeld im Einzelfall erhöhte Anforderungen eine solche „deutliche“ Abweichung zu stellen seien. Was dies genau bedeutet, bleibt abzuwarten – jedoch spricht vieles dafür, dass eine Abweichung, die sich im Marktvergleich im Rahmen der Abweichungen der Wettbewerber bewegt, vermutlich keine Insidertatsache darstellen wird. Vielmehr dürfte von einem erheblichen Kursbeeinflussungspotenzial nur in den Fällen auszugehen sein, in denen die Emittentin im aktuellen Marktumfeld noch deutlicher hinter den Prognosen zurückbleibt als andere Marktteilnehmer. Eine „übliche“ Abweichung dürfte hingegen regelmäßig als „eingepreist“ gelten.

Fazit

Die gegenwärtige Situation bedeutet eine große Herausforderung für das Management. Vorstände von Emittenten sollten sich auch im Hinblick auf die Finanzberichterstattung intensiv mit den Auswirkungen der Corona-Krise auf die Geschäftstätigkeit auseinandersetzen. Transparenz in der Berichterstattung sollte oberstes Gebot sein, zumal der Kapitalmarkt aktuell ohnehin auf schlechte Neuigkeiten gefasst sein wird. Parallel sollte laufend überprüft werden, ob bzw. wann mit hinreichender Sicherheit eine deutliche Abweichung von den zuvor kommunizierten Prognosen vorliegt, die zu einer Ad-hoc-Pflicht führt. Ggf. ist die bisherige Prognose zu widerrufen, ohne dass neue Ziele ausgegeben werden.

 

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Dr. Christof Alexander Schneider, Partner
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