Der twitternde Betriebsrat – #SocialMedia­fürBetriebs­räte?

24. Juli 2020

24. Juli 2020 – Social Media sind aus dem Alltag kaum mehr wegzudenken. Egal, ob Facebook, Instagram, Tik-Tok oder Twitter, knapp die Hälfte der Deutschen hat (mindestens) einen Social-Media-Account. Unternehmen nutzen ihre Accounts vor allem als Marketingtools, aber auch um direktes Kundenfeedback zu bekommen. Da Unternehmen gleichzeitig Arbeitgeber sind, hat sich die Rechtsprechung in der Vergangenheit bereits zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Social-Media- Accounts (z. B. bei Facebook oder Twitter) von Arbeitgebern positioniert: Es besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, sofern und soweit Besucher ein Posting auf der Seite hinterlassen können.

Aber welche Regeln gelten für Social-Media-Accounts, die von Betriebsräten unterhalten werden? Am kommenden Mittwoch (29. Juli 2020) hat das BAG erstmals die Gelegenheit, sich zu dem Twitter-Account eines Betriebsrats zu äußern (BAG, Az. 7 ABR 9/19).* Dieser Beitrag stellt den Fall des BAG vor und ordnet ihn vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung ein.

Was war passiert?

Eine Arbeitgeberin und ihr Betriebsrat streiten darüber, ob und in welchem Umfang der Betriebsrat einen Twitter Account betreiben darf. Der Betriebsrat twitterte regelmäßig, auch zu betrieblichen Angelegenheiten und Auseinandersetzungen mit der Arbeitgeberin, zum Beispiel:

„#Einvernehmen herrscht immer, wenn kein unmittelbarer Zwang ausgeübt wird.

#BR ist deshalb gegen #Dienstplanänderung im Einvernehmen.“

Bis zum Ende seiner Amtszeit im April 2017 setzte der Betriebsrat regelmäßig Tweets über den Account ab. Ob auch der neu gewählte Betriebsrat weiter twitterte, ist nicht dokumentiert.

Die Arbeitgeberin war der Ansicht, dass der Betriebsrat gegen die Grundsätze der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstößt, wenn er zu betrieblichen Angelegenheiten twittert. Es gehöre nicht zu den Aufgaben des Betriebsrats, die Öffentlichkeit außerhalb des Betriebs über betriebliche Vorgänge zu unterrichten. Ein Twitter-Auftritt sei nach Ansicht der Arbeitgeberin für die Wahrnehmung der Aufgabe des Betriebsrats daher nicht erforderlich.

Die Arbeitgeberin beantragte daher beim Arbeitsgericht Göttingen, festzustellen, dass der Betriebsrat nicht berechtigt ist, sich über einen von ihm unterhaltenen Twitter-Account zu betrieblichen Angelegenheiten öffentlich zu äußern, wenn sich die Arbeitgeberin nicht bereits in der Öffentlichkeit über das Internet zu denselben Angelegenheiten geäußert hat. Hilfsweise wollte die Arbeitgeberin festgestellt wissen, dass der Betriebsrat mit den abgesetzten Tweets gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen hat.

Das Arbeitsgericht Göttingen gab den Anträgen der Arbeitgeberin weitgehend statt. Das LAG Niedersachsen wies die Anträge in zweiter Instanz vollumfänglich zurück. Es ging davon aus, dass der Betriebsrat sich auf die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG berufen könne. Er sei daher nicht darauf beschränkt sei, seine Meinung in bestimmten Räumlichkeiten zu äußern. Der Betriebsrat könne und dürfe selbst entscheiden, ob er eine öffentliche Stellungnahme für angebracht hält.

Rechtlicher Hintergrund

Es ist allgemein anerkannt, dass der Betriebsrat zwar keine juristische Person ist, aber Träger von gewissen Rechten und Pflichten sein kann.

Ob Betriebsräte sich auch auf die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG berufen können, wurde bisher vom BVerfG und vom BAG offengelassen. Die Landesarbeitsgerichte gehen teilweise von einer (eingeschränkten) Grundrechtsfähigkeit des Betriebsrats aus, so auch das LAG Niedersachsen in dem Fall des twitternden Betriebsrats.

Das BAG hat zur Äußerung des Betriebsrats in den klassischen Medien allerdings bereits entschieden, dass es grundsätzlich nicht zu den Aufgaben des Betriebsrats gehört, sich anlasslos an die Öffentlichkeit außerhalb des Betriebs zu wenden. Anders soll es nur dann sein, wenn der Arbeitgeber die Angelegenheit selbst in die Öffentlichkeit getragen hat. Das muss er in einer Art und Weise getan haben, dass es eine Antwort des Betriebsrats erfordert.

Ausblick

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BAG ist davon auszugehen, dass der Betriebsrat sich als Organ grundsätzlich auf die Meinungsfreiheit berufen kann. Allerdings reicht dessen Meinungsfreiheit nur soweit, wie die Aufgaben des Betriebsrats nach dem BetrVG.

Da es nicht zu den Aufgaben des Betriebsrats gehört, sich anlasslos an die Öffentlichkeit außerhalb des Betriebs zu wenden, ist dieses Verhalten auch nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Anlasslose Tweets sind somit nicht von der Meinungsfreiheit des Betriebsrats geschützt.

Aufgrund der wachsenden Bedeutung von Social Media für Arbeitgeber und Betriebsräte wäre es wünschenswert, wenn das BAG dies in seiner Entscheidung klar stellt.

Update: Das Verfahren vor dem BAG wurde am 27. Juli 2020 eingestellt, da die Rechtsbeschwerdeführerin die Rechtsbeschwerde zurückgenommen hat. Der Termin zur Verkündung der Entscheidung vom 29. Juli 2020 wurde daher aufgehoben.

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