Product Law News in a Nutshell

Die neue EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten: 8 facts for take away

22. Juni 2023

In unserer Reihe „Product Law News in a Nutshell“ stellen wir regelmäßig neue Entwicklungen und Urteile im Bereich Produktsicherheit, Produkthaftung und nachhaltige Produkte vor. Die meisten dieser vielfältigen Neuerungen stammen aus der Feder der europäischen Institutionen. 

Wir starten mit der EU-Verordnung 2023/1115 zu entwaldungsfreien Lieferketten (EUDR), die am 29. Juni 2023 in Kraft tritt. Knappe 18 Monate haben größere Unternehmen Zeit, um sich auf die neuen Pflichten einzustellen; kleineren Unternehmen werden teilweise 6 Monate mehr eingeräumt.

 

  1. Zweck
    Ziel der neuen EUDR ist die Eindämmung der globalen Entwaldung, die auf vielfältige Weise zur Klimakrise beiträgt. Ursächlich dafür ist auch der hohe Verbrauch von Rohstoffen in der EU, für deren Anbau Wälder in landwirtschaftlich genutzte Flächen umgewandelt werden. Im Rahmen ihres EU-Green-Deals hat die Kommission daher erneut die Lieferketten in den Fokus gerückt: Durch Verbote und Sorgfaltspflichten soll mit der EUDR gewährleistet werden, dass nur noch Erzeugnisse auf dem Unionsmarkt bereitgestellt oder ausgeführt werden, deren Rohstoffe auf Flächen erzeugt wurden, die seit dem 1. Januar 2021 nicht entwaldet wurden.
  2. Erfasste Rohstoffe und Erzeugnisse
    Der größte Anteil der von der Union verursachten Entwaldung ist auf den Anbau oder die Aufzucht von folgenden Rohstoffen zurückzuführen: Ölpalme (34%), Soja (32,8%), Holz (8,6%), Kakao (7,5%), Kaffee (7%), Rinder (5%) und Kautschuk (3,4%). Genau diese Rohstoffe werden von der EUDR erfasst. 
    Dreh- und Angelpunkt der EUDR sind aber nicht die Rohstoffe selbst, sondern sog. „relevante Erzeugnisse“, also solche, die diese Rohstoffe enthalten, mit ihnen gefüttert wurden oder unter ihrer Verwendung hergestellt wurden, und die in Anhang I der EUDR aufgeführt sind. Maßgeblich ist also diese Liste mit Erzeugnissen, die durch Zolltarifnummern und die darüber erfassten Waren spezifiziert werden. Vom Anwendungsbereich der EUDR umfasst sind danach neben Rindfleisch, Schokolade, geröstetem Kaffee oder Palmöl z.B. auch Leder, Bücher, Autoreifen oder Holzmöbel.
  3. Bewertung von Ländern
    Das Ausmaß der Entwaldung, die Erweiterung landwirtschaftlicher Flächen für relevante Rohstoffe und Erzeugungstrends selbst sind weltweit unterschiedlich stark ausgeprägt. Aus diesem Grund wird die Kommission sämtliche Staaten bis spätestens Ende 2024 in eine von drei Risikokategorien einordnen. Als Länder mit einem „hohen Risiko“ sollen solche gelten, für die ein außergewöhnlich hohes Risiko besteht, dass dort relevante Rohstoffe erzeugt werden, für die entwaldet wird; bei Ländern mit „geringem Risiko“ wird davon ausgegangen, dass eine Entwaldung die Ausnahme darstellt. Die Länderliste selbst wird dann im Rahmen von Durchführungsrechtsakten erlassen.
  4. Zentrale Verbotsvorschrift
    Relevante Rohstoffe und relevante Erzeugnisse dürfen zukünftig nur noch dann in Verkehr gebracht, auf dem Markt bereitgestellt oder ausgeführt werden, wenn sie drei Voraussetzungen erfüllen:

    1. Sie sind entwaldungsfrei, für ihren Anbau oder Aufzucht wurden also seit dem 1. Januar 2021 keine Wälder in landwirtschaftlich genutzte Flächen umgewandelt;
    2. Sie wurden gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes in Bezug auf Landnutzung, Umweltschutz, forstbezogene Vorschriften – aber auch in Bezug auf nicht entwaldungsbezogene Aspekte wie Arbeitnehmer- und Menschenrechte sowie Steuer-, Korruptionsbekämpfungs-, Handels- und Zollvorschriften – erzeugt;
    3. Für sie liegt eine sog. Sorgfaltserklärung vor.

    Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, sind die in Anhang I genannten Erzeugnisse in wenigen Monaten nicht mehr verkehrsfähig.

  5. Pflichtenträger
    Die Pflichten der EUDR treffen vor allem Marktteilnehmer, also Personen, die im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit die erfassten Erzeugnisse erstmals in Verkehr bringen oder ausführen. 
    Aber auch große Händler werden vom vollen Pflichtenprogramm der EUDR erfasst. Das wird damit begründet, dass große Händler erheblichen Einfluss auf die Lieferketten haben und bei der Sicherstellung entwaldungsfreier Lieferketten eine wichtige Rolle spielen. 
    Für KMU-Händler gelten hingegen abgespeckte Pflichten. 
  6. Drei Sorgfaltspflichten 
    Wie auch in der allgemeinen Lieferkettengesetzgebung sind die einzuhaltenden Sorgfaltspflichten der EUDR als Bemühens-, nicht als Erfolgspflichten zu verstehen. Das bedeutet, dass Marktteilnehmer die Entwaldungsfreiheit und Einhaltung der lokalen Vorschriften sichergestellt haben, wenn sie folgende 3 Sorgfaltspflichten vor der Vermarktung der Erzeugnisse befolgen, dokumentieren und jährlich überprüfen:

    1. Sammlung von umfangreichen Informationen, Daten und Unterlagen. Diese reichen von einer Beschreibung der Erzeugnisse und Kontaktdaten aller Lieferanten über Daten zur Geolokalisierung aller Grundstücke, auf denen die Rohstoffe erzeugt wurden, bis hin zu Vereinbarungen über die Nutzung der Gebiete.
    2. Risikobewertung der gesammelten Informationen und Unterlagen auf Basis von verschiedenen, in der EUDR festgelegten Kriterien. Nur wenn diese Risikobewertung ergibt, dass kein oder nur ein vernachlässigbares Risiko einer Non-Compliance besteht, dürfen die Erzeugnisse vermarktet werden. 
    3. Risikominderungsmaßnahmen bei Feststellung eines Risikos, wie etwa die Anforderung weiterer Informationen oder die Durchführung unabhängiger Erhebungen oder Audits.

    Erleichterungen für diese Sorgfaltspflichten gelten für KMU-Marktteilnehmer: Wenn für die erfassten Erzeugnisse bereits eine Sorgfaltserklärung übermittelt wurde, müssen sie selbst die Sorgfaltspflichten nicht mehr erfüllen, sondern allein auf Verlangen der Behörde die Referenznummer der Sorgfaltserklärung vorlegen.
    Zudem gelten für alle Marktteilnehmer vereinfachte Sorgfaltspflichten, wenn sie sich versichert haben, dass alle relevanten Rohstoffe und Erzeugnisse in Ländern mit geringem Risiko erzeugt wurden. In diesem Fall beschränken sich die einzuhaltenden Sorgfaltspflichten auf die Sammlung von Informationen, Daten und Unterlagen. Eine Risikobewertung und Maßnahmen zu Risikominderung sind nur vorzunehmen, wenn der Marktteilnehmer von einem Risiko ausgehen muss, dass die Erzeugnisse gegen die EUDR verstoßen oder die Regelungen umgangen werden.

  7. Sorgfaltserklärung
    Als Nachweis der Erfüllung aller Sorgfaltspflichten zur Einhaltung der Entwaldungsfreiheit und der lokalen Rechtsvorschriften müssen Marktteilnehmer, einschließlich der großen Händler, eine Sorgfaltserklärung abgeben. Die genauen Angaben, die in der Sorgfaltserklärung enthalten sein müssen, finden sich in Anhang II der EUDR. Die Sorgfaltserklärung ist vor dem Inverkehrbringen oder der Ausfuhr der Erzeugnisse den Behörden über ein Informationssystem zu übermitteln, das bis Ende 2024 eingerichtet werden soll, und muss anschließend 5 Jahre lang aufbewahrt werden.
    Wenn für ein relevantes Erzeugnis bereits eine Sorgfaltserklärung übermittelt wurde, können andere Nicht-KMU-Marktteilnehmer auf diese verweisen, wenn sie zuvor festgestellt haben, dass die Sorgfaltspflicht erfüllt wurde. Sie tragen jedoch weiterhin die Verantwortung für die Einhaltung der Entwaldungsfreiheit und lokalen Rechtsvorschriften.
  8. Rechtsfolgen bei Non-Compliance
    Werden die Vorgaben der EUDR nicht eingehalten, sind die relevanten Erzeugnisse nicht verkehrsfähig. Handelt es sich nicht um formelle Verstöße, die behoben werden können, müssen bereits auf den Markt gebrachte Erzeugnisse zurückgerufen oder -genommen, gespendet oder entsorgt werden.
    Neben möglichen wettbewerbsrechtlichen und zivilrechtlichen Ansprüchen wird es auch strenge behördliche Sanktionen bei Verstößen gegen die EUDR geben. Diese reichen vom Ausschluss von Vergabeverfahren über die Einziehung von Einnahmen bis hin zu hohen Geldbußen mit einem Höchstbetrag von mindestens 4% des jährlichen unionsweiten Gesamtumsatzes.
    Auf der Webseite der Kommission sollen rechtskräftige Urteile wegen Verstößen und verhängte Sanktionen zudem in nicht-anonymisierter Weise veröffentlicht werden – damit einhergehend steigt natürlich auch das Reputationsrisiko.

Die EU meint es ernst. 

 

Autorinnen:
Dr. Astrid Seehafer, M.Sc.
Eva Ritte, M.A.

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