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BGH erteilt Birkenstock-Sandalen Absage für urheber-
rechtlichen Schutz

23. April 2025

Urteil vom 20. Februar 2025 (I ZR 16/24)

Der BGH hat mit seinem Urteil vom 20. Februar 2025 (I ZR 16/24) eine grundlegende Entscheidung zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Gebrauchsgegenständen getroffen. In insgesamt drei Revisionsverfahren (I ZR 16/24, I ZR 17/24, I ZR 18/24) war über den Urheberrechtsschutz von vier verschiedenen Sandalen-Modellen der Birkenstock-Gruppe zu entscheiden: „Arizona“, „Madrid“, „Gizeh“ und den Clog „Boston“. Gegenstand des Verfahrens I ZR 16/24 war die Frage, ob das unter anderem aus dem Hollywood-Film „Barbie“ bekannte Sandalenmodel „Arizona“ und das Model „Madrid“ als Werke der angewandten Kunst gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG geschützt sind und ob eine urheberrechtliche Nachahmung durch die Konkurrenz vorliegt. Der BGH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und verneinte den urheberrechtlichen Schutz. Mit der Entscheidung verdeutlicht der BGH die unionsrechtlichen Anforderungen an den Schutz von Werken der angewandten Kunst und konkretisiert die Abgrenzung des Urheberrechts zum Designschutz.

Sachverhalt und Verfahrensgang

Die Klägerin, ein Unternehmen der Birkenstock-Gruppe, beanspruchte für ihre Sandalenmodelle „Madrid“ und „Arizona“ urheberrechtlichen Schutz und machte gegen die Beklagte, die optisch ähnliche Sandalenmodelle vertreibt, urheberrechtliche Ansprüche geltend. Insbesondere seien das unverkleidete Fußbett, die Sohlenform und die Materialwahl Ausdruck einer individuellen künstlerischen Leistung und würde daher auf einer Vielzahl kreativer Entscheidungen beruhen. In erster Instanz gab das Landgericht Köln der Klage weitgehend statt; diese Entscheidung wurde allerdings vom OLG Köln in zweiter Instanz nicht mitgetragen. Daraufhin legte Birkenstock Revision beim BGH ein, der wiederum dem OLG Köln folgte.

Grundlage der BGH-Entscheidung: EuGH-Rechtsprechung

Der BGH stützt seine Entscheidung auf die unionsrechtlich geprägten Anforderungen an den urheberrechtlichen Schutz von Werken der angewandten Kunst. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH setzt ein urheberrechtlich geschütztes Werk eine „persönliche geistige Schöpfung“ voraus, die eine Schöpfung individueller Prägung ist, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für die Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauung einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden kann. Wesentlich ist somit das Erreichen der erforderlichen Schöpfungshöhe. Nicht ausreichend ist die bloße ästhetische Wirkung einer Gestaltung jedenfalls dann, wenn sie allein durch den Gebrauchszweck bedingt ist. Somit verfolgen der Designschutz und der urheberrechtliche Schutz grundverschiedene Ziele und unterliegen unterschiedlichen Voraussetzungen: Während Ersterer vor allem auf die äußere Gestaltung eines Produkts abzielt, setzt der urheberrechtliche Schutz eine über die Zweckbestimmung hinausgehende künstlerische Gestaltung voraus.

Im Einklang mit der EuGH-Rechtsprechung, insbesondere mit der „Cofemel“-Entscheidung (EuGH, Urteil vom 12. September 2019 – C-683/17), stellt der BGH klar, dass die fraglichen Sandalenmodelle keinen Urheberrechtsschutz genießen. Im konkreten Fall stünden allein ästhetische sowie funktionale Aspekte im Vordergrund – kreative Entscheidungen seien nicht prägend gewesen. Es handle sich demnach nicht um ein Werk im Sinne des Urheberrechts. Hierbei sei für das relevante Kriterium der Gestaltungshöhe unerheblich, ob es sich um Werke der angewandten Kunst oder um andere Werkarten handelt.

Wer Urheberrechtsschutz will, trägt Beweislast

Ob das Kriterium der persönlichen geistigen Schöpfung vorliegt, müsse von der Klägerin im urheberrechtlichen Verletzungsprozess dargelegt werden. Dafür muss das Unternehmen nicht nur das fragliche Werk, sondern auch die Elemente benennen, die für den potenziellen urheberrechtlichen Schutz infrage kommen. Konkret bei Gebrauchsgegenständen müsse gezeigt werden, inwieweit die Gestaltung im Detail künstlerisch geprägt ist und damit über das rein Funktionale hinausgeht. Birkenstock ist dies nicht gelungen: Es fehlte an einer schlüssigen Darstellung, inwieweit die Gestaltung der Sandalen auf einer freien schöpferischen Entscheidung beruhe und nicht primär von ergonomischen, orthopädischen oder marktbezogenen Erwägungen bestimmt sei.

Auch in einem weiteren Punkt wurde der BGH nicht überzeugt: Birkenstock stützte die eigene Argumentation ebenfalls mit dem sogenannten Knochenmuster der Sohle. Dieses Argument ließ der BGH nicht gelten – das Gestaltungselement sei erst im Nachhinein eingeführt und damit nicht Bestandteil der ursprünglichen Modelle. Unabhängig davon handele es sich hierbei um ein Element der Wiedererkennbarkeit einer Marke, die eher dem Bereich des Design- oder Markenrechts zuzuordnen sei, nicht aber um eine künstlerische Leistung im urheberrechtlichen Sinne.

Abgrenzung zum Designschutz und praktische Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung des BGH verdeutlicht die grundsätzlichen Unterschiede zwischen dem Urheberrecht und dem Designrecht. Während das Designrecht auf die äußere Gestaltung eines Produkts und seine Unterscheidungskraft im Markt abstellt, setzt das Urheberrecht eine persönliche geistige Schöpfung voraus. Nicht jedes ästhetisch ansprechende Produkt ist auch automatisch urheberrechtlich geschützt. Zwar kann nach der EuGH-Rechtsprechung ein Produkt sowohl Design- als auch Urheberrechtsschutz genießen, jedoch nur, wenn die urheberrechtlichen Schutzvoraussetzungen tatsächlich erfüllt werden. Der BGH bestätigt damit eine klare Trennung beider Schutzbereiche.

Für die Praxis bedeutet dies, dass Hersteller von Gebrauchsgegenständen mit ästhetischer Gestaltung weiterhin primär auf den Designschutz angewiesen sind und nicht ohne Weiteres urheberrechtliche Schutzmechanismen für industrielle Gestaltungen in Anspruch nehmen können. Unternehmen, die sich gegen Nachahmungen ihrer Produkte wehren möchten, sollten verstärkt auf den Schutz durch eingetragene Designs setzen, da dieser auf das Erscheinungsbild eines Produkts abstellt und nicht die hohe Hürde einer künstlerischen Leistung im urheberrechtlichen Sinne nehmen muss.

Praxistipp und Ausblick

Zurecht versuchen Hersteller verstärkt, ihre Produkte unter den Schutz des Urheberrechts zu stellen. Nicht nur bedarf es für den Urheberschutz – anders als beim Designschutz – keiner Registereintragung, es ist auch in zeitlicher Hinsicht das umfassendere Schutzrecht, insoweit es bis zu 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers bestehen bleibt. Aufgrund der mangelnden Registereintragung besteht trotzdem eine gewisse Unsicherheit über die urheberrechtliche Schutzfähigkeit. Da Unternehmen detailliert darlegen müssen, ob die durch das Birkenstock-Urteil präzisierten Anforderungen an den urheberrechtlichen Schutz vorliegen, ist anzuraten schon während des Schaffensprozesses die jeweilige Intention und die Gedanken zur Gestaltung des Werkes zu späteren Nachweiszwecken festzuhalten. Zusätzlich sollte auf die übrigen Schutzrechte, wie das Design- und Markenrecht, zurückgegriffen werden, um einen möglichst lückenlosen Schutz zu erreichen.

Eine Aussetzung des Verfahrens in Hinblick auf den Vorlagebeschluss in Sachen USM Haller (BGH, Vorlagebeschluss vom 21.12.2023, I ZR 96/22) hat der BGH nicht für erforderlich erachtet, dennoch ist die Frage der Schöpfungshöhe noch nicht abschließend geklärt. Der EuGH wird sich insbesondere zu der Frage äußern müssen, ob bei Werken der angewandten Kunst zwischen dem geschmacksmusterrechtlichen und dem urheberrechtlichen Schutz ein Regel-Ausnahme-Verhältnis besteht – und zwar dergestalt, ob bei der urheberrechtlichen Prüfung der Originalität von Werken der angewandten Kunst höhere Anforderungen an die freie kreative Entscheidung des Schöpfers zu stellen sind.

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