Vertikale Floating-Photovoltaik-Anlagen
Vertikale Floating-Photovoltaik-Anlagen
25. June 2025
Rechtliche Bewertung der Flächenbedeckung nach § 36 Abs. 3 Nr. 2 lit. a WHG
Die Nutzung von Wasserflächen zur Stromerzeugung durch Floating-Photovoltaik-Anlagen (Floating-PV-Anlagen) gewinnt zunehmend an Bedeutung – insbesondere vor dem Hintergrund der ambitionierten Ausbauziele für erneuerbare Energien. Üblicherweise werden diese horizontal, als liegende, schwimmende PV-Anlagen installiert. Eine neue und innovative Variante dieser Technologie sind vertikal installierte Floating-PV-Anlagen. Sie haben einen großen rechtlichen Vorteil: durch eine reduzierte Flächeninanspruchnahme des Gewässers kann viel mehr Leistung installiert werde.
Zum Schutz der ökologischen Funktionsfähigkeit der Gewässer ist im WHG geregelt, dass Solaranlagen nur in und über künstlichen oder erheblich veränderten Gewässern zulässig sind. Sie sind allerdings unzulässig, wenn sie mehr als 15 % der Gewässerfläche bedecken und der Abstand zum Ufer weniger als 40 Meter beträgt. Die vertikale Anlagentechnik bringt daher neue rechtliche Fragen mit sich – insbesondere im Hinblick auf § 36 Abs. 3 Nr. 2 lit. a des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG). Denn die Vorschrift regelt nicht, welcher Maßstab bei der Berechnung der bedeckten Fläche zu Grunde zu legen ist. Eine allgemeingültige, festsehende Definition, was unter „bedecken“ im Sinne des § 36 Abs. 3 Nr. 2 lit. a WHG zu verstehen ist, ist bislang auch nicht im Rahmen von behördlichen oder gerichtlichen Entscheidungen geklärt worden, die Orientierung bieten könnten.
Bei horizontalen PV-Anlagen ist die bedeckte Fläche naturgemäß die Projektfläche der gesamten Anlage, da die Module auf der Oberfläche liegen und die Anlagenfläche der Wasserkontaktfläche entspricht. Fraglich ist, welcher Maßstab bei vertikal installierten PV-Anlagen zur Ermittlung der bedeckten Fläche anzusetzen ist. Mögliche Berechnungsgrundlage könnte die gesamte Projektfläche sein. Es spricht aber sowohl in rechtlicher als auch in ökologischer Hinsicht Einiges dafür, nur die tatsächliche Wasserkontaktfläche der Anlage als Berechnungsmaßstab heranzuziehen.
Der Zweck von § 36 Abs. 3 Nr. 2 lit. a WHG besteht in der Verringerung gewässerökologischer Beeinträchtigungen durch Floating-PV-Anlagen (BT-Drs. 20/1630, S. 252 f.). Hierzu zählen insbesondere Beeinträchtigungen durch reduzierte Lichteinstrahlung, Beeinträchtigungen der Sauerstoffzufuhr sowie die Versiegelung der Wasseroberfläche. Bei vertikalen Floating-PV-Anlagen ist die tatsächliche Wasserbedeckung durch direkten Kontakt äußerst gering. Die unmittelbare Kontaktfläche mit dem Wasser ist auf die Modulunterkante beschränkt. Zwischen den aufrecht montierten Modulen besteht zudem regelmäßig ein größerer Abstand von mehreren Metern. Vertikale PV-Anlagen wirken sich daher weitaus geringer auf das ökologische Gleichgewicht des Gewässers aus. Aufgrund ihrer offenen Bauweise lassen vertikale Floating-PV-Anlagen deutlich mehr Licht und Luft an die Wasseroberfläche als herkömmliche, horizontal installierte Anlagen. Auch aus diesem Grund werden im Rahmen eines Forschungsprojekts des Bundesamtes für Naturschutz derartige neue technische Lösungen, die verstärkt auf eine vertikale Raumnutzung und damit eine geringere Beeinträchtigung der Wasseroberfläche bei höherer Gesamtleistung setzen, befürwortet. Ausgehend von Wortlaut und Zweck des § 36 Abs. 3 Nr. 2 lit. a WHG ist davon auszugehen, dass für vertikale Floating-PV-Anlagen allein die tatsächliche Bedeckung bei Berechnung der bedeckten Wasserfläche maßgeblich ist.
Auch andere rechtliche Reglungen unterstützen dieses Verständnis. So stellt etwa § 19 Abs. 2 BauNVO nach überwiegender Auffassung für die Ermittlung der Grundfläche auf die tatsächlich überbauten Flächen ab, ohne Zwischenräume oder potenzielle Funktionsflächen in die Berechnung einzubeziehen. Schutzzweck ist hier die Begrenzung der Bodenversiegelung – ein Gedanke, der auch auf die Schutzfunktion von § 36 Abs. 3 Nr. 2 lit. a WHG übertragen werden kann. Entscheidend ist demnach die tatsächliche physische Inanspruchnahme der Fläche durch die bauliche Anlage selbst – nicht deren potenzielle Ausdehnung, der Bewegungsraum oder die gesamte Projektfläche. Auch der Umstand, dass sich die Module durch Windbewegung in ihrer Ausrichtung ändern können, indem sie mitschwingen, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Eine dauerhafte Bedeckung der Wasseroberfläche ist damit nicht verbunden. Das Bundesverwaltungsgericht hat klargestellt, dass etwa der Schattenwurf rotierender Windenergieanlagen bei der Bemessung der Grundfläche außer Betracht bleibt (BVerwG, Urt. v. 21.10.2004, 4 C 3/04). Dieser Gedanke lässt sich auch auf vertikale Floating-PV-Anlagen übertragen.
Insbesondere im Lichte des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) spricht Vieles dafür, die Zulässigkeit vertikaler Floating-PV-Anlagen nach § 36 Abs. 3 Nr. 2 lit. a WHG von der tatsächlichen Kontaktfläche der Anlage abhängig zu machen. Nach § 2 EEG liegen die Errichtung und der Betrieb von EE-Anlagen im überragenden öffentlichen Interesse. Sie sind daher als vorrangiger Belang in die Schutzgüterabwägungen einzubringen. Die Kontaktfläche bei vertikalen Floating-PV-Anlagen minimiert die Beeinträchtigung des ökologischen Wasserhaushalts bei gleicher Modulanzahl wesentlich. Dadurch ist auch der Einsatz von mehr Modulen auf dem Wasser bei geringeren Auswirkungen möglich. Vertikale Floating-PV-Anlagen entsprechen daher dem Ziel des § 2 EEG in besonderem Maße. Denn bei gleichbleibender Beeinträchtigung – nämlich 15 % bedeckter Fläche gemessen an der tatsächlichen Kontaktfläche der einzelnen Module – könnte durch den Einsatz von mehr Modulen eine sehr viel höhere Leistung erzielt und somit ein wesentlicher Beitrag in Richtung Treibhausgasneutralität geleistet werden. Hinzu kommt, dass die vertikal installierten Anlagen so ausgerichtet sind, dass sie beim Sonnenhöchststand zur Mittagszeit und damit einhergehenden PV-Produktionsüberschuss keine Energie erzeugen. Damit leisten sie auch einen Beitrag zur Flexibilität erneuerbarer Energien.
Vertikale Floating-PV-Anlagen stellen eine innovative und umweltschonende Alternative zu horizontalen Floating-PV-Anlagen dar. Da sie die Wasserfläche nur in geringem Umfang in Anspruch nehmen, denn die Wasserfläche zwischen den Modulen bleibt frei, stehen sie dem Schutzzweck des § 36 Abs. 3 Nr. 2 lit. a WHG auch dann nicht entgegen, wenn die gesamte Projektfläche die 15 %-Grenze übersteigt. Denn die systematische und teleologische Auslegung der Vorschrift spricht dafür, dass bei der Ermittlung der 15 %-Grenze nur die tatsächlich bedeckte Fläche zugrunde zu legen ist. Freie Wasserflächen innerhalb der Anlage sind nicht als bedeckte Fläche mit einzuberechnen. Die Kombination aus flächenschonender Bauweise, geringer ökologischer Belastung und hoher energiewirtschaftlicher Effizienz macht vertikale Floating-PV-Anlagen insgesamt zu einer sehr vielversprechenden, zukunftsfähigen Technologie im Rahmen der Energiewende.
Authors:
Friedrich Gebert, Hannah Düwel and Clara Schmidt