Metaverse Blog-Serie: Nr. 4

Welches Recht gilt im Metaverse?

14. Oktober 2022

Im Rahmen dieser Blog-Serie nähern wir uns dem Metaverse aus unterschiedlichen Richtungen. Nach der allgemeinen Einführung und technischen Erläuterung konnten wir uns bereits abstrakt vorstellen, was uns im „Internet 3.0“ erwartet. Im letzten Beitrag wurde es dann konkreter: Wir haben mit „Decentraland“, „Horizon Worlds“ und einigen anderen die derzeit populärsten Plattformen vorgestellt. In einem konkreten Metaverse angekommen, stellen sich nun unweigerlich die Fragen, mit welchen wir uns im heutigen Beitrag beschäftigen: An welche Regeln muss ich mich in dieser neuen, digitalen Welt halten? Gibt es klar definierte rechtliche Grundlagen und vertragliche Verpflichtungen, die ich durch die Nutzung einer Plattform eingehe? Wenn ja, welche sind das? Oder befinde ich mich gar in einem rechtsfreien Raum?

„Niemand kontrolliert das Metaverse“

Auf der Suche nach der Antwort auf die Frage, welche Regeln im Metaverse gelten, drängt sich als erstes die folgende auf: Es gibt keine. Der Ursprungsgedanke des Metaverse ist ein gänzlich offener, dezentralisierter Bereich fernab der regulierten Welt, die wir kennen. Eine der (inoffiziellen) „7 Regeln des Metaverse“ gibt hierzu passend wieder: „Niemand kontrolliert das Metaverse“. Aber kann das tatsächlich bedeuten, dass man sich als Nutzer der Metaverse-Plattformen in einem rechtsfreien Raum bewegt, jeder tun und lassen kann, was er will und kein Gericht der „realen Welt“ eingreifen kann? Nicht nur für Anwälte eine schwer vorstellbare Welt, auch wenn sie nur digital existiert. Wie soll ich mich verteidigen, wenn jemand mir die Rechte an meinen NFT streitig macht, mich um mehrere Millionen Euro Kryptowährung betrügt oder mein digitales Grundstück unrechtmäßig nutzt? Dies alles sind komplexe Rechtsfragen, die in Zukunft sicher immer häufiger einer Lösung bedürfen. Entsprechend ist man sich in Fachkreisen weitgehend einig: Auch im Metaverse muss grundsätzlich Recht gelten. Welches Recht das ist, lässt sich jedoch nicht ohne Weiteres beantworten.

Dein Recht oder mein Recht?

Nicht nur im Metaverse, sondern im gesamten digitalen Raum ist die Frage nach dem anwendbaren Recht weniger leicht zu beantworten als in der analogen Welt. Hinzu kommt, dass es selbst in der analogen Welt juristisch komplex wird, sobald Rechtsbeziehungen grenzüberschreitend zustande kommen. Welches Recht soll gelten, wenn eine chinesische Firma einen belgischen Kunden für den Vertrieb auf dem US-Markt beliefert? In einem international vernetzten Paralleluniversum wie dem Metaverse stellen sich ähnliche Rechtsfragen bzw. werden aufgrund der neuartigen, noch schwer einzuordnenden Produkte und Leistungen noch um ein Vielfaches komplexer.

Nach bisheriger Rechtslage kommt als anwendbares Recht je nach Einzelfall etwa das Recht des Herkunftslandes des Betroffenen, das Recht des Plattformbetreibers oder klausuliertes Recht internationaler Vereinbarungen wie das UN-Kaufrecht in Frage. Zudem können die Regelungen des Internationalen Privat- bzw. Strafrechts zur Anwendung kommen. Inwiefern jedoch die aktuell bestehenden Regelungen und Gesetze geeignet sind, eine virtuelle Welt wie das Metaverse angemessen zu regeln, lässt sich derzeit schwer beantworten. Dass eine Übertragung nicht ohne Weiteres möglich ist, zeigt sich bereits daran, dass unklar sein dürfte, wer als betroffener Nutzer im Rechtssinne einzuordnen ist, wessen „Herkunftsland“ also die Rechtswahl bestimmt: Kommt es auf den Avatar im Metaverse an oder die reale Person, die diesen steuert? Ähnlich schwer zu beantworten wäre die Frage nach dem Unternehmenssitz des Plattformbetreibers: Ist dieser in der realen Welt, etwa dort wo der Avatar gesteuert wird, oder wo der Plattformbetreiber seinen Sitz hat? Oder befindet sich dieser schlicht „im Metaverse“?

Um diese und ähnliche Rechtsfragen zu umgehen, verfolgen die meisten Betreiber der bislang bekannten Metaversplattformen den Ansatz, ihre Rechtswahl vertraglich zu regeln.

AGB als vertragliche Grundlage

Die Vertragsgestaltung im Internet erfolgt auch abseits des Metaverse üblicherweise im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die dem Nutzer auf der jeweiligen Website zur Verfügung gestellt werden. AGB sind (nach der deutschen Rechtsdefinition) insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass eine Seite (in diesem Fall der Websitebetreiber) die Vertragsbedingungen „stellt“ ohne die andere Vertragspartei an deren Entwurf zu beteiligen. Will die andere Vertragspartei (hier der Nutzer der Website) die Leistungen der die Vertragsbedingungen stellenden Partei in Anspruch nehmen, muss sie die Bedingungen akzeptieren und sich – deren rechtliche Wirksamkeit vorausgesetzt – auch an die dort enthaltenen Regelungen halten.

Auch die meisten der bislang bekannten Metaverse-Plattformen stellen auf ihren Websites AGB (im Englischen „Terms of Use“) zur Verfügung, die dem Nutzer ein rechtliches Regelwerk an die Hand geben sollen. Damit hat es sich aber schon mit den Gemeinsamkeiten. Bei einer Durchsicht der AGB der bekannten Plattformen, welche wir in unserem letzten Beitrag vorgestellt haben, zeigt sich vor allem, wie unterschiedlich die Nutzungsbedingungen der einzelnen Anbieter ausgestaltet sind.

Panama, Hong Kong, Niemandsland

Da das deutsche Recht besonders streng ist, wenn es darum geht, was in einseitig gestellten Vertragsbedingungen/AGB geregelt werden darf, überrascht es nicht, dass keiner der Betreiber der aktuell populären Plattformen deutsches Recht als Grundlage für ihre vertragliche Ausgestaltung gewählt hat.

Unserem deutschen bzw. europäischen Rechtsverständnis am nächsten kommen wohl noch die AGB von Roblox und Horizon Worlds (Plattform von Meta). Während Roblox das Recht des US-amerikanischen Bundesstaats Kalifornien für anwendbar erklärt (auch im „Internet 2.0“ typisch für Tech-Unternehmen aus dem Silicon Valley), wählt Horizon Worlds grundsätzlich irisches Recht. Meta geht jedoch auf „Nummer sicher“ und erklärt für Verbraucher das Recht deren Hauptwohnsitzes für anwendbar. Dies entspricht allgemeinen EU-Verbrauchervorschriften und zeigt Metas grundsätzliches Verständnis für den innerhalb der EU sehr streng geregelten Bereich des Verbraucherschutzes.

Ganz anders handhaben die auf der Ethereum-Blockchain basierenden Plattformen Decentraland und Sandbox diese Thematik. Die dortigen AGB lesen sich für einen europäischen Nutzer eher ungewöhnlich. Die vergleichsweise weit entwickelte Plattform Decentraland sieht ein Gremium vor (die „Decentralized Autonomous Organization“ – DOA), in welchem alle Nutzer bzgl. relevanter Themen der Plattform mitentscheiden können. Die entsprechenden Beschreibungen lassen vermuten, dass Decentraland langfristig ein eigenes, internes Rechtssystem planen könnte. Als übergeordnetes Recht sieht Decentraland in seinen Terms of Use derzeit das Recht von Panama vor. Auch sollen die dortigen Gerichte zuständig sein, für den Fall, dass ein primär vorgesehenes Schiedsverfahren scheitert.

Sandbox, mit Geschäftssitz in Malta, hat sich in seinen AGB für das Recht von Hong Kong und einen exklusiven Gerichtsstand in der chinesischen Sonderverwaltungszone entschieden. Gleichzeitig wird jegliches Kollisionsrecht, das ggf. zu Anwendbarkeit eines anderen Rechts führen könnte, ausdrücklich ausgeschlossen. Die Sandbox-AGB sehen weitgehende Verbote, etwa im Bereich der Pornographie und des Glückspiels, vor. Eine Nutzung ist erst ab 18 Jahren erlaubt. Hierin besteht ein deutlicher Unterschied zu Decentraland, wo Jugendliche ab 13 Jahren die Plattform und deren Inhalte nutzen dürfen und Glückspiel erlaubt ist.

…und welche Regeln gelten nun?

Es lässt sich festhalten, dass man als Metaverse-Nutzer nach derzeitigem Stand ein gewisses Risiko eingeht, seine Rechte nicht durchsetzen oder verteidigen zu können. Dies liegt zum einen daran, dass sich bisherige Rechtsgrundsätze nicht ohne Weiteres übertragen lassen. Zum anderen wird sich ein Nutzer aus Deutschland schwer tun, Rechte in Panama oder Hong Kong durchzusetzen.

Hinzukommt, dass selbst wenn in den AGB der Plattformen eine bestimmte Rechtswahl getroffen ist, es sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene sogenanntes zwingendes Recht gibt, das in vielen Konstellationen gar nicht ausgeschlossen werden kann (innerhalb der EU zählen hierzu etwa zahlreiche Verbrauchervorschriften). Auch die Grundsätze des zwingenden Rechts sind jedoch nicht ohne Weiteres auf das vermeintlich von jeglicher Territorialität losgelöste Metaverse übertragbar.

Das Metaverse befindet sich noch in seiner Protophase und welche Rechtsgrundsätze sich hier durchsetzen werden, kann heute noch nicht beantwortet werden. Ob es eine Anpassung der bislang bekannten Regelungen geben wird oder ob sogar ein ganz eigenes „Metaverse-Recht“ entsteht, ist noch gänzlich offen. Da jedoch nach dem freiheitlichen Ursprungsgedanken des Metaverse keine Länder oder deren Regierungen das Sagen im neuen digitalen Universum haben sollen, bleibt fraglich, welche Institutionen Vereinbarungen bzgl. eines neuartigen Rechts abschließen oder neue Gesetze erlassen sollten. Nicht auszuschließen ist, dass einzelne Unternehmen im Metaverse so mächtig werden, dass sich deren Nutzungsbedingungen als Quasi-Gesetzgebung durchsetzen werden.

Die rechtlichen Fragen rund um das Metaverse sind vielschichtig. Wir hoffen, Ihnen mit diesem Beitrag einen ersten Einstieg in den rechtlichen Bereich des Metaverse vermittelt zu haben. In den nächsten Wochen werden wir uns weiteren spannenden Themen widmen, wie etwa dem Marken- und Urheberrecht oder dem Datenschutz im Metaverse.

Bleiben Sie gespannt auf unserer gemeinsamen Reise durch das Metaverse!

 

Autorin: Nora Meyer-Stratmann

Weitere Blogbeiträge

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