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Regulatory & Product
Neue Anforderungen an Batteriehersteller

Die ersten Regelungen der Batterieverordnung (EU) 2023/1542 sind am 18.02.2024 in Kraft getreten. Dieser Beitrag bietet einen Überblick über einige wichtige Neuerungen, die auf Hersteller von Gerätebatterien zukommen. Hersteller im Sinne der Batterieverordnung sind dabei Erzeuger, Einführer oder Händler von Batterien. Erfasst sind auch in Produkten verbaute Gerätebatterien.

Social
Betriebspartner-Management im Rahmen der sozialen Nachhaltigkeit

Dem Betriebsrat kommt bei der Umsetzung von Maßnahmen zur sozialen Nachhaltigkeit in mitbestimmten Betrieben eine wichtige Rolle zu. Zwar kann der Betriebsrat die Einführung oder Zielsetzung einer ESG-Strategie des Unternehmens nicht erzwingen …

Environmental
„Fit for 55“ – Der europäische Wasserstoff- und Gasmarkt der Zukunft

Kommission, Rat und Parlament haben sich über die rechtlichen Rahmenbedingungen des zukünftigen europäischen Wasserstoff- und Gasmarkts geeinigt. Die Neuregelungen sind Teil des “Fit for 55”-Pakets, einer Reihe von Gesetzesvorhaben, …

Regulatory
Das europäische Lieferkettengesetz kommt – jetzt doch

Am 15.03.2024 wurde die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) im Rat beschlossen. Vorausgegangen waren monatelange Verhandlungen. Die bisherige Fassung wurde – insbesondere durch Deutschland und Italien – erheblich abgeschwächt. In Teil 2 unserer Blogreihe zur CSDDD geben wir einen Überblick über den Kompromiss des Europäischen Rates vom 15.03.2024 und welche Auswirkungen sich hieraus ergeben:

Regulatory
Das europäische Lieferkettengesetz kommt

Im Rahmen des EU Green Deal hat sich die Kommission vorgenommen, die gesamte EU auf Nachhaltigkeit zu trimmen. Dabei nimmt sie nun auch die Wertschöpfungsketten der Unternehmen ins Visier. Nachdem bereits Deutschland mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz („LkSG“) vorangeschritten ist…

Regulatory
Die CSRD kommt

Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland ist auf dem Vormarsch und bildet eine zentrale Säule der Energiewende. Die Energieversorgung in Deutschland soll klimaneutral werden und gleichzeitig unabhängig vom Import fossiler Brenn-, Kraft und Heizstoffe aus dem Ausland. Im Mittelpunkt steht dabei der Ausbau von von Solarenergie, Photovoltaikanlagen sind hierbei ein wichtiger Baustein zur sicheren Stromversorgung in Deutschland. Der Gesetzgeber hat daher sich viel vorgenommen: Ab 2024 sollen jährlich Photovoltaikanlagen für 22 GW Solarenergie in Deutschland hinzukommen. Hierfür werden nun vermehrt auch landwirtschaftliche Flächen in Blick genommen. Um gleichzeitig die Landwirtschaft nicht zu gefährden und eine weitere Flächenversiegelung zu vermeiden, rücken dabei sogenannte Agri-PV-Anlagen immer mehr in den Fokus. Deren Privilegierung im Außenbereich hat der Bundestag durch die Einführung des § 35 Abs. 1 Nr. 9 BauGB zum 03.07.2023 erleichtert.

 

  1. Was sind Agri-PV-Anlagen?

Mit Agri-Photovoltaik bezeichnet man ein Verfahren zur gleichzeitigen Nutzung von Flächen für die landwirtschaftliche Pflanzenproduktion und die PV- Stromproduktion. Dazu werden die Anlagen zumeist auf hohe Stelzen gestellt, sodass sie oberhalb der landwirtschaftlich genutzten Fläche sind und diese teilweise überdachen. Die Agri- PV Anlagen steigern die Flächeneffizienz und ermöglichen den Ausbau der PV-Leistung bei gleichzeitigem Erhalt fruchtbarer Ackerflächen für die Landwirtschaft oder in Verbindung mit der Schaffung artenreicher Biotope. Damit wird eine Flächenkonkurrenz vorgebeugt und die Landfläche effizient genutzt.

 

  1. Neue Privilegierung von Agri-PV-Anlagen

Um den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben, soll nun der Bau von Agri-PV-Anlagen erleichtert werden. Daher hat der Bundestag am 03.07.2023 in § 35 Abs. 1 Nr. 9 BauGB einen neuen Privilegierungstatbestand für die Aufstellung von Agri-PV-Anlagen im Außenbereich eingeführt. Die Privilegierung funktioniert wie die zum 01.01.2023 eingeführte Privilegierung von PV- Anlagen im Bereich 200m neben Autobahnen oder Schienen. Agri-PV-Anlagen sind künftig also ohne Bebauungsplan im Außenbereich möglich, wenn

  • sie in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb oder zu seinem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 BauGB stehen,
  • ihre Grundfläche höchstens 2,5 Hektar beträgt, und
  • je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben wird.

 

III. Was bringt die Privilegierung?

Die Privilegierung in § 35 Abs. 1 BauGB erleichtert das Bauen im Außenbereich ohne Bebauungsplan. Grundsätzlich gilt der städtebauliche Grundsatz, dass der Außenbereich von Vorhaben freigehalten werden soll, soweit die Vorhaben ihrem Wesen nach nicht in den Außenbereich gehören. § 35 Abs. 1 BauGB beinhaltet daher eine abschließende Aufzählung von privilegierten Vorhaben, die im Außenbereich zulässig sind, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Das umfasst landwirtschaftliche Betriebe und Elektrizitätswerke genauso wie Windparks und PV-Anlagen.

Eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 BauGB hat dabei gegenüber der Zulässigkeit von sonstigen Vorhaben in § 35 Abs. 2 BauGB, die nicht explizit aufgezählt sind, in der Abwägung ein stärkeres Durchsetzungsvermögen. Denn privilegierte Vorhaben sind zulässig, soweit ihnen öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Sonstige Vorhaben dürfen hingegen öffentliche Belange nicht beeinträchtigen. Im Ergebnis bedeutet damit die Gesetzesänderung nun, dass Agri-PV-Anlagen im Außenbereich keinen Bebauungsplan benötigen und gegenüber anderen öffentlichen Belangen in der Abwägung schwerer wiegen. Es gilt aber weiterhin: Es ist stets auch bei Agri-PV-Anlagen eine Abwägung durchzuführen. Dennoch kann die neue Privilegierung Planungsverfahren verkürzen und den Ausbau von erneuerbaren Energien erleichtern.

 

III. Schlecht für Gemeinden, gut für Solarparkentwickler: Keine Möglichkeit von „Konzentrationsplanung“ nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB

Gleichzeitig hat der Gesetzgeber bei der neuen Privilegierung von Agri-PV-Anlagen den Gemeinden nicht die Möglichkeit gegeben, durch die Ausweisung bestimmter „Konzentrationszonen“ Agri-PV-Anlagen auf bestimmte Bereiche im Gemeindegebiet zu begrenzen.

Denn ein privilegiertes Bauvorhaben steht gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB in der Regel dann öffentlichen Belangen entgegen und ist unzulässig, soweit durch die Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziel der Raumordnung eine Ausweisung solcher Vorhaben erfolgt ist (sog. Konzentrationsplanung). Die Gemeinde darf also die privilegierten Vorhaben im Plangebiet konzentrieren und im Flächennutzungsplan festlegen, soweit die Standorte hierfür geeignet sind. Das dient der Planungshoheit von Gemeinden, die dann den übrigen Planungsraum für andere Vorhaben freihalten kann.

Diese Konzentrationsplanung gilt aber nur für privilegierte Bauvorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2-6 BauGB. Der neue Privilegierungstatbestand für Agri-PV-Anlagen fällt explizit nicht darunter. Die Gemeinde kann also nicht Agri-PV-Anlagen untersagen, nur weil sie andere Flächen im Außenbereich hierfür vorgesehen hat. Diese Einschränkung der Konzentrationsplanung wurde im Gesetzgebungsverfahren teilweise kritisiert, für Gemeinden bedeutet sie sicherlich eine Einschränkung der planerischen Steuerungsmöglichkeiten bei der Zulässigkeit von PV- Anlagen. Für Entwickler von Solarparks und für Landwirte ist das hingegen eine gute Nachricht, es macht die Planung von Agri-PV-Anlagen in Zukunft deutlich einfacher. Wir sind also gespannt, ob wir bald wirklich über landwirtschaftlichen Feldern mehr Agri-PV-Anlagen sehen werden.

Product Law News in a Nutshell
Die neue EU-Produktsicherheitsverordnung

Eine der bedeutsamsten aktuellen Reformen im Produktsicherheitsrecht ist die Verabschiedung der sog. Produktsicherheitsverordnung (EU) 2023/988 (General Product Safety Regulation – GPSR), dem, wenn man so will, neuen „Allgemeinen Teil“ des europäischen Produktsicherheitsrechts. Am 12. Juni 2023 trat sie in Kraft und wird mit ihrem Geltungsbeginn am 13. Dezember 2024 die derzeit geltende Produktsicherheitsrichtlinie von 2001 ablösen.

Warum gibt es die GPSR und was ist neu? 8 facts for take away:

 

  1. Zweck und Anwendungsbereich
    Ziel der GPSR ist es, „die Funktionsweise des Binnenmarkts zu verbessern und zugleich ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten“. Es soll also die größtmögliche Produktsicherheit bei geringstmöglicher Beeinträchtigung des freien Marktes garantiert werden. Notwendig ist eine Überarbeitung des bisherigen Rechtsrahmens u.a. wegen der Entwicklung neuer Technologien und Online-Verkäufen.
    Die GPSR findet grundsätzlich Anwendung auf Verbraucherprodukte auf dem Unionsmarkt, mit einigen Ausnahmen wie zum Beispiel Arznei-, Lebens- oder Futtermittel. Gelten für ein Produkt bereichsspezifische Harmonisierungsrechtsvorschriften, wie etwa die Medizinprodukteverordnung, so gehen diese vor, sofern sie zu einer bestimmten Thematik bereits eine Regelung treffen. Von manchen Teilen der GPSR sind solche Produkte außerdem pauschal ausgenommen.
  2. Vereinheitlichung des Rechtsrahmens
    Die GPSR ist von dem Bestreben getragen, eine größtmögliche Kohärenz zu den bereichsspezifischen Harmonisierungsrechts- und Normungsrechtsvorschriften sowie zur EU-Marktüberwachungsverordnung zu schaffen und Lücken zwischen den Rechtsrahmen nach Möglichkeit zu schließen. Umgesetzt ist dies etwa durch die Einbeziehung des Fulfillment-Dienstleisters, die Festlegung des Zeitpunkts der „Bereitstellung auf dem Markt“ im Online-Verkauf auf den Zeitpunkt des Angebots, und eine extensive Verweistechnik wie in den Artikeln 16 und 23.
    Erwägungsgrund 3 begründet hiermit auch die Wahl des Rechtsinstrumentes einer Verordnung: Das Ziel der Kohärenz mit dem Rechtsrahmen für die Marktüberwachung von Produkten, die in den Anwendungsbereich der Harmonisierungsvorschriften der Union fallen, könne besser erreicht werden, wenn beide Bereiche von Verordnungen geregelt würden.
  3. Erweiterung und Neudefinition der Kriterien für die Bewertung der Sicherheit
    Für die Bewertung der Sicherheit von Verbraucherprodukten enthält Art. 6 GPSR einen neuen und umfassenden Katalog von zu berücksichtigenden Aspekten. Wann ein Produkt als „sicher“ gilt und wann nicht, soll damit gesetzlich konkreter beschrieben werden als zuvor – wobei es im Ergebnis natürlich noch immer eine Auslegungsfrage bleiben wird.
    Die altbekannten Kriterien wie die Eigenschaften des Produkts inkl. seiner Zusammensetzung und Verpackung, die Einwirkung des Produkts auf andere Produkte, wenn eine gemeinsame Verwendung vorhersehbar ist, die Aufmachung des Produkts und die Verbrauchergruppen, die bei Verwendung des Produkts einem Risiko ausgesetzt sind, bleiben nach wie vor relevant. Hinzu kommen etwa das Erscheinungsbild eines Produkts, wenn es Verbraucher dazu verleiten kann, es in anderer als der bestimmungsgemäßen Weise zu verwenden, sowie ggf. erforderliche Cybersicherheitsmerkmale und die sich entwickelnden, lernenden und prädiktiven Funktionen des Produkts.
  4. Neue Verpflichtungen für nicht harmonisierte Produkte
    Durch den weiten Anwendungsbereich und eine Ausweitung der Pflichten für verschiedene Wirtschaftsakteure kommen auch im nicht-harmonisierten Bereich insb. auf Hersteller neue Pflichten zu: So müssen sie in Zukunft, bevor sie ein Produkt auf den Markt bringen, eine genauer beschriebene interne Risikoanalyse durchführen, technische Unterlagen erstellen, öffentlich zugängliche Kommunikationskanäle für Beschwerden einrichten und ein internes Beschwerdeverzeichnis führen.
  5. Neue Verpflichtungen im Online-Handel
    Das europäische Produktsicherheitsrecht soll mit der GPSR endgültig im digitalisierten Zeitalter ankommen. Betreiber von Online-Marktplätzen müssen als neuer Pflichtenadressat deshalb u.a. eine zentrale Kontaktstelle für Marktüberwachungsbehörden und Verbraucher einrichten, über ein internes System zur Gewährleistung der Produktsicherheit verfügen und das Schnellwarnsystem Safety-Gate (früher: RAPEX) nutzen. Sie treffen außerdem umfangreiche Melde-, Informations- und Kooperationspflichten gegenüber den Marktüberwachungsbehörden.
  6. Notwendigkeit eines in der EU niedergelassenen Wirtschaftsakteurs
    Bereits seit Inkrafttreten der MÜVO im Jahr 2021 ist Voraussetzung für ein rechtmäßiges Inverkehrbringen bestimmter Produkte, dass ein in der Union niedergelassener, für das Produkt verantwortlicher Wirtschaftsakteur vorhanden ist. Diese Voraussetzung übernimmt die GPSR und dehnt somit den Anwendungsbereich der Regelung auf die ihr unterfallenden nicht-harmonisierten Produkte aus.
  7. Neue Anforderungen für den Umgang mit Produktrückrufen, auch für Online-Marktplätze
    Die GPSR sieht ein komplexes Produktrückrufsystem vor, das im Kern jedoch weiterhin auf die wesentlichen Schritte der unverzüglichen Korrekturmaßnahmen sowie Informierung von Verbrauchern und Behörden aufbaut. Die Verordnung sieht aber präzisierte Vorgaben etwa zur Rückrufanzeige vor: diese muss genauer vorgeschriebenen formellen und inhaltlichen Anforderungen genügen (u.a. mit dem Begriff „Produktsicherheitsrückruf“ überschrieben sein) und in einer für Verbraucher leicht verständlichen Sprache verfasst sein. Die Kommission soll im Wege eines Durchführungsrechtsakts ein Muster erstellen.
    In Folge eines Rückrufs muss der verantwortliche Wirtschaftsakteur den betroffenen Verbrauchern zudem „wirksame, kostenfreie und zeitnahe“ Abhilfemaßnahmen anbieten. Genannt sind die Reparatur, der Ersatz sowie eine angemessene Erstattung. Diese Vorschrift kann als eine Art Einzug des Mängelgewährleistungsrechts in das Produktsicherheitsrecht gelesen werden.
  8. Neue Meldepflichten bei Unfällen
    Hersteller sind künftig zur sofortigen Meldung von „Unfällen, die im Zusammenhang mit der Sicherheit von Produkten auftreten“ über das Online Kommunikationsportal Safety-Business-Gateway verpflichtet. Die Meldung richtet sich an die Behörden des Mitgliedstaats, in dem sich der Unfall ereignet hat. Nicht ganz klar ist die Reichweite dieser Regelung, die sich nach ihrem Wortlaut aber vermutlich auf Fälle von besonders schwerwiegenden Unfällen beschränkt. Die Meldepflicht dient insbesondere auch der Schaffung einer umfassenden Datensammlung, damit gefährliche Produktgruppen und Trends zukünftig schneller erkannt werden können.

 

Autorin:
Eva Ritte, M.A.

Regulatory
Agri-PV jetzt privilegiert

Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland ist auf dem Vormarsch und bildet eine zentrale Säule der Energiewende. Die Energieversorgung in Deutschland soll klimaneutral werden und gleichzeitig unabhängig vom Import fossiler Brenn-, Kraft und Heizstoffe aus dem Ausland. Im Mittelpunkt steht dabei der Ausbau von von Solarenergie, Photovoltaikanlagen sind hierbei ein wichtiger Baustein zur sicheren Stromversorgung in Deutschland. Der Gesetzgeber hat daher sich viel vorgenommen: Ab 2024 sollen jährlich Photovoltaikanlagen für 22 GW Solarenergie in Deutschland hinzukommen. Hierfür werden nun vermehrt auch landwirtschaftliche Flächen in Blick genommen. Um gleichzeitig die Landwirtschaft nicht zu gefährden und eine weitere Flächenversiegelung zu vermeiden, rücken dabei sogenannte Agri-PV-Anlagen immer mehr in den Fokus. Deren Privilegierung im Außenbereich hat der Bundestag durch die Einführung des § 35 Abs. 1 Nr. 9 BauGB zum 03.07.2023 erleichtert.

 

  1. Was sind Agri-PV-Anlagen?

Mit Agri-Photovoltaik bezeichnet man ein Verfahren zur gleichzeitigen Nutzung von Flächen für die landwirtschaftliche Pflanzenproduktion und die PV- Stromproduktion. Dazu werden die Anlagen zumeist auf hohe Stelzen gestellt, sodass sie oberhalb der landwirtschaftlich genutzten Fläche sind und diese teilweise überdachen. Die Agri- PV Anlagen steigern die Flächeneffizienz und ermöglichen den Ausbau der PV-Leistung bei gleichzeitigem Erhalt fruchtbarer Ackerflächen für die Landwirtschaft oder in Verbindung mit der Schaffung artenreicher Biotope. Damit wird eine Flächenkonkurrenz vorgebeugt und die Landfläche effizient genutzt.

 

  1. Neue Privilegierung von Agri-PV-Anlagen

Um den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben, soll nun der Bau von Agri-PV-Anlagen erleichtert werden. Daher hat der Bundestag am 03.07.2023 in § 35 Abs. 1 Nr. 9 BauGB einen neuen Privilegierungstatbestand für die Aufstellung von Agri-PV-Anlagen im Außenbereich eingeführt. Die Privilegierung funktioniert wie die zum 01.01.2023 eingeführte Privilegierung von PV- Anlagen im Bereich 200m neben Autobahnen oder Schienen. Agri-PV-Anlagen sind künftig also ohne Bebauungsplan im Außenbereich möglich, wenn

  • sie in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb oder zu seinem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 BauGB stehen,
  • ihre Grundfläche höchstens 2,5 Hektar beträgt, und
  • je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben wird.

 

III. Was bringt die Privilegierung?

Die Privilegierung in § 35 Abs. 1 BauGB erleichtert das Bauen im Außenbereich ohne Bebauungsplan. Grundsätzlich gilt der städtebauliche Grundsatz, dass der Außenbereich von Vorhaben freigehalten werden soll, soweit die Vorhaben ihrem Wesen nach nicht in den Außenbereich gehören. § 35 Abs. 1 BauGB beinhaltet daher eine abschließende Aufzählung von privilegierten Vorhaben, die im Außenbereich zulässig sind, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Das umfasst landwirtschaftliche Betriebe und Elektrizitätswerke genauso wie Windparks und PV-Anlagen.

Eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 BauGB hat dabei gegenüber der Zulässigkeit von sonstigen Vorhaben in § 35 Abs. 2 BauGB, die nicht explizit aufgezählt sind, in der Abwägung ein stärkeres Durchsetzungsvermögen. Denn privilegierte Vorhaben sind zulässig, soweit ihnen öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Sonstige Vorhaben dürfen hingegen öffentliche Belange nicht beeinträchtigen. Im Ergebnis bedeutet damit die Gesetzesänderung nun, dass Agri-PV-Anlagen im Außenbereich keinen Bebauungsplan benötigen und gegenüber anderen öffentlichen Belangen in der Abwägung schwerer wiegen. Es gilt aber weiterhin: Es ist stets auch bei Agri-PV-Anlagen eine Abwägung durchzuführen. Dennoch kann die neue Privilegierung Planungsverfahren verkürzen und den Ausbau von erneuerbaren Energien erleichtern.

 

III. Schlecht für Gemeinden, gut für Solarparkentwickler: Keine Möglichkeit von „Konzentrationsplanung“ nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB

Gleichzeitig hat der Gesetzgeber bei der neuen Privilegierung von Agri-PV-Anlagen den Gemeinden nicht die Möglichkeit gegeben, durch die Ausweisung bestimmter „Konzentrationszonen“ Agri-PV-Anlagen auf bestimmte Bereiche im Gemeindegebiet zu begrenzen.

Denn ein privilegiertes Bauvorhaben steht gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB in der Regel dann öffentlichen Belangen entgegen und ist unzulässig, soweit durch die Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziel der Raumordnung eine Ausweisung solcher Vorhaben erfolgt ist (sog. Konzentrationsplanung). Die Gemeinde darf also die privilegierten Vorhaben im Plangebiet konzentrieren und im Flächennutzungsplan festlegen, soweit die Standorte hierfür geeignet sind. Das dient der Planungshoheit von Gemeinden, die dann den übrigen Planungsraum für andere Vorhaben freihalten kann.

Diese Konzentrationsplanung gilt aber nur für privilegierte Bauvorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2-6 BauGB. Der neue Privilegierungstatbestand für Agri-PV-Anlagen fällt explizit nicht darunter. Die Gemeinde kann also nicht Agri-PV-Anlagen untersagen, nur weil sie andere Flächen im Außenbereich hierfür vorgesehen hat. Diese Einschränkung der Konzentrationsplanung wurde im Gesetzgebungsverfahren teilweise kritisiert, für Gemeinden bedeutet sie sicherlich eine Einschränkung der planerischen Steuerungsmöglichkeiten bei der Zulässigkeit von PV- Anlagen. Für Entwickler von Solarparks und für Landwirte ist das hingegen eine gute Nachricht, es macht die Planung von Agri-PV-Anlagen in Zukunft deutlich einfacher. Wir sind also gespannt, ob wir bald wirklich über landwirtschaftlichen Feldern mehr Agri-PV-Anlagen sehen werden.

Product Law News in a Nutshell
Ökodesign von Produkten im Fokus

Bis 2050 soll Europa klimaneutral sein. Ohne konsequente Ressourcenschonung ist dies nicht möglich. Als zentralen Baustein des EU Green Deals hat die EU-Kommission daher schon früh den Fokus auf einen nachhaltigen Produktzyklus gelegt. Ökologisch nachhaltige Produkte sollen die Norm werden. Die neue Ökodesign-Verordnung wird zum neuen Leitstern des Produktrechts – und auf die Industrie kommen große Veränderungen zu.

 

  1. Zweck der Ökodesign-Verordnung

Mit der geplanten EU-Ökodesign-Verordnung wird ein rechtlich verbindlicher und harmonisierter Rahmen geschaffen, um sicherzustellen, dass Produkte auf dem europäischen Markt nicht nur sicher sind, sondern zukünftig auch ökologisch nachhaltig gestaltet wurden. Verbessert werden sollen vor allem die Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Nachrüstbarkeit, Reparierbarkeit, Energie- und Ressourceneffizienz, Recyclingmöglichkeiten sowie der Einsatz von Rezyklaten.

Diese Nachhaltigkeitsanforderungen sollen für fast alle physischen Waren gelten; ausgenommen sind Lebens- und Futtermittel, Arzneimittel und (voraussichtlich auch) Fahrzeuge. Damit wird die Ökodesign-Verordnung für die Industrie eine enorme Bedeutung haben – auch im Vergleich zu der bisherigen Ökodesign-Richtlinie, die allein für bestimmte energieverbrauchsrelevante Produkte gilt.

Die spezifischen Nachhaltigkeitsanforderungen für die vielen einzelnen Produktgruppen, also welche neuen Vorgaben für die Produktgestaltung jeweils konkret gelten, werden von der EU-Kommission noch in ergänzenden sogenannten delegierten Verordnungen festgelegt.

  1. Echtes Novum: Der digitale Produktpass

Ein echtes Novum im Produktrecht ist auch der in der Ökodesign-Verordnung vorgesehene digitale Produktpass. Forderungen zur Digitalisierung des Produktrechts gibt es seit Jahren, vor allem im Produktsicherheitsrecht; man denke nur an die Bücher mit langen Gebrauchsanweisungen in 20 Sprachen. Nun wird der digitale Produktpass erstmals im Rahmen der Ökodesign-Verordnung kommen: Auf einem Datenträger sollen Informationen wie etwa über die ökologische Nachhaltigkeit des jeweiligen Produktes bereitgestellt werden. Dies soll Verbraucher bei der Kaufentscheidung helfen, Reparaturen und Recycling erleichtern sowie die Rückverfolgbarkeit verbessern. Behörden soll der digitale Produktpass bei der Marktüberwachung unterstützen. Die genauen Vorgaben – zu der Art des Datenträgers, dem Umfang der Informationen, den Zugangsberechtigten usw. – stehen derzeit noch nicht fest. Auch sie werden später in den delegierten Verordnungen für die einzelnen Produktgruppen niedergelegt.

Klar ist aber schon heute, dass der digitale Produktpass ausdrücklich analoge Informationen nicht ersetzen, sondern diese vorerst nur ergänzen soll. Die Chancen der Digitalisierung und Vereinheitlichung mit anderen produktrechtlichen Vorgaben werden vom Gesetzgeber daher (leider) nicht konsequent genutzt. Die Industrie wird sich beim digitalen Produktpass mit vielen unklaren praktischen Fragestellungen konfrontiert sehen.

  1. Verbot der Neuwarenvernichtung

Ende Mai neu in den Entwurf der Ökodesign-Verordnung aufgenommen haben die Mitgliedsstaaten im Wettbewerbsrat zudem einen weiteren Vorstoß zur Verringerung des Abfallaufkommens. Ein sehr naheliegendes Potential der Ressourcenschonung liegt hier im Bereich der Vernichtung von Neuwaren, relevant vor allem auch im Online-Handel mit Retourenquoten von teilweise über 50 Prozent. Die EU-Kommission hatte hierfür bereits Transparenzpflichten und eine generelle Befugnis zum Erlass von Vernichtungsverboten im Entwurf der Ökodesign-Verordnung vorgesehen.

Da die Textilbranche als viertgrößter Verursacher negativer Umweltauswirkungen und einem enormen Abfallaufkommen – 5,8 Millionen Tonnen Textilien werden in der EU jährlich verbrannt – derzeit besonders im Fokus steht, wurde auf Initiative des Wettbewerbsrats nun schon direkt ein Verbot der Vernichtung unverkaufter Bekleidung für große und mittlere Unternehmen in den Entwurf aufgenommen. Das Verbot wird 36 bzw. 48 Monate nach Inkrafttreten der Verordnung gelten. Stakeholder werden sich bis dahin nicht nur Gedanken machen müssen zu eventuellen Anpassungen an ihrer Retourenpolitik, sondern ggf. auch ihre Einkaufs- und Produktionsplanungen entsprechend überdenken müssen.

  1. Trilogverhandlungen starten

Der Entwurf der Ökodesign-Verordnung geht nun, nachdem der Wettbewerbsrat seine „Allgemeine Ausrichtung“ veröffentlicht hat, in das sog. Trilogverfahren, in dem die Mitgliedstaaten, die EU-Kommission und das Europäische Parlament den finalen Entwurf verhandeln. Anschließend muss er noch im EU-Parlament und im Ministerrat verabschiedet werden. Da die neuen Vorgaben zum Ökodesign im Rahmen von Verordnungen niedergelegt werden, sind sie dann – anders als eine Richtlinie, die jeweils in nationales Recht umzusetzen ist – in allen Mitgliedsstaaten als unmittelbar geltendes EU-Recht anwendbar. Gerade auch in Bezug auf die delegierten Verordnungen für die einzelnen Produktgruppen, in denen der europäische Gesetzgeber voraussichtlich sehr tiefgreifende Vorgaben für die konkrete Gestaltung von Produkten treffen wird, sollten Stakeholder aus der Industrie den Gesetzgebungsprozess eng verfolgen und begleiten. Nicht nur um praktische und strategische Interessen einfließen zu lassen, sondern auch um die konkreten Auswirkungen der geplanten neuen Anforderungen auf die eigenen Produktlinien frühzeitig zu prüfen und eventuell notwendige Anpassungen am Produktdesign mit genügend Vorlauf vorzubereiten. Denn die Einhaltung der Ökodesign-Anforderungen wird kein bloßes „nice to have“ sein, sondern Voraussetzung für das rechtmäßige Inverkehrbringen der Produkte, sprich: Produkte, die den Nachhaltigkeitsvorgaben nicht (rechtzeitig) entsprechen, dürfen zukünftig nicht mehr verkauft werden.

 

Autorin:

Dr. Astrid Seehafer M.Sc.

Product Law News in a Nutshell
Die neue EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten

In unserer Reihe „Product Law News in a Nutshell“ stellen wir regelmäßig neue Entwicklungen und Urteile im Bereich Produktsicherheit, Produkthaftung und nachhaltigen Produkten vor. Die meisten dieser vielfältigen Neuerungen stammen aus der Feder der europäischen Institutionen.

Wir starten mit der EU-Verordnung 2023/1115 für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR), die am 29. Juni 2023 in Kraft tritt. Knappe 18 Monate haben größere Unternehmen Zeit, um sich auf die neuen Pflichten einzustellen; kleineren Unternehmen werden teilweise 6 Monate mehr eingeräumt.
Zweck
Ziel der neuen EUDR ist die Eindämmung der globalen Entwaldung, die auf vielfältige Weise zur Klimakrise beiträgt. Ursächlich dafür ist auch der hohe Verbrauch von Rohstoffen in der EU, für deren Anbau Wälder in landwirtschaftlich genutzte Flächen umgewandelt werden. Im Rahmen ihres EU-Green-Deals hat die Kommission daher erneut die Lieferketten in den Fokus gerückt: Durch Verbote und Sorgfaltspflichten soll mit der EUDR gewährleistet werden, dass nur noch Erzeugnisse auf dem Unionsmarkt bereitgestellt oder ausgeführt werden, deren Rohstoffe auf Flächen erzeugt wurden, die seit dem 1. Januar 2021 nicht entwaldet wurden.
Erfasste Rohstoffe und Erzeugnisse
Der größte Anteil der von der Union verursachten Entwaldung ist auf den Anbau oder die Aufzucht von folgenden Rohstoffen zurückzuführen: Ölpalme (34%), Soja (32,8%), Holz (8,6%), Kakao (7,5%), Kaffee (7%), Rinder (5%) und Kautschuk (3,4%). Genau diese Rohstoffe werden von der EUDR erfasst.
Dreh- und Angelpunkt der EUDR sind aber nicht die Rohstoffe selbst, sondern sog. „relevante Erzeugnisse“, also solche, die diese Rohstoffe enthalten, mit ihnen gefüttert wurden oder unter ihrer Verwendung hergestellt wurden, und die in Anhang I der EUDR aufgeführt sind. Maßgeblich ist also diese Liste mit Erzeugnissen, die durch Zolltarifnummern und die darüber erfassten Waren spezifiziert werden. Vom Anwendungsbereich der EUDR umfasst sind danach neben Rindfleisch, Schokolade, geröstetem Kaffee oder Palmöl z.B. auch Leder, Bücher, Autoreifen oder Holzmöbel.
Bewertung von Ländern
Das Ausmaß der Entwaldung, die Erweiterung landwirtschaftlicher Flächen für relevante Rohstoffe und Erzeugungstrends selbst sind weltweit unterschiedlich stark ausgeprägt. Aus diesem Grund wird die Kommission sämtliche Staaten bis spätestens Ende 2024 in eine von drei Risikokategorien einordnen. Als Länder mit einem „hohen Risiko“ sollen solche gelten, für die ein außergewöhnlich hohes Risiko besteht, dass dort relevante Rohstoffe erzeugt werden, für die entwaldet wird; bei Ländern mit „geringem Risiko“ wird davon ausgegangen, dass eine Entwaldung die Ausnahme darstellt. Die Länderliste selbst wird dann im Rahmen von Durchführungsrechtsakten erlassen.
Zentrale Verbotsvorschrift
Relevante Rohstoffe und relevante Erzeugnisse dürfen zukünftig nur noch dann in Verkehr gebracht, auf dem Markt bereitgestellt oder ausgeführt werden, wenn sie drei Voraussetzungen erfüllen:
Sie sind entwaldungsfrei, für ihren Anbau oder Aufzucht wurden also seit dem 1. Januar 2021 keine Wälder in landwirtschaftlich genutzte Flächen umgewandelt;
Sie wurden gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes in Bezug auf Landnutzung, Umweltschutz, forstbezogene Vorschriften – aber auch in Bezug auf nicht entwaldungsbezogene Aspekte wie Arbeitnehmer- und Menschenrechte sowie Steuer-, Korruptionsbekämpfungs-, Handels- und Zollvorschriften – erzeugt;
Für sie liegt eine sog. Sorgfaltserklärung vor.
Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, sind die in Anhang I genannten Erzeugnisse in wenigen Monaten nicht mehr verkehrsfähig.
Pflichtenträger
Die Pflichten der EUDR treffen vor allem Marktteilnehmer, also Personen, die im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit die erfassten Erzeugnisse erstmals in Verkehr bringen oder ausführen.
Aber auch große Händler werden vom vollen Pflichtenprogramm der EUDR erfasst. Das wird damit begründet, dass große Händler erheblichen Einfluss auf die Lieferketten haben und bei der Sicherstellung entwaldungsfreier Lieferketten eine wichtige Rolle spielen.
Für KMU-Händler gelten hingegen abgespeckte Pflichten.
Drei Sorgfaltspflichten
Wie auch in der allgemeinen Lieferkettengesetzgebung sind die einzuhaltenden Sorgfaltspflichten der EUDR als Bemühens-, nicht als Erfolgspflichten zu verstehen. Das bedeutet, dass Marktteilnehmer die Entwaldungsfreiheit und Einhaltung der lokalen Vorschriften sichergestellt haben, wenn sie folgende 3 Sorgfaltspflichten vor der Vermarktung der Erzeugnisse befolgen, dokumentieren und jährlich überprüfen:
Sammlung von umfangreichen Informationen, Daten und Unterlagen. Diese reichen von einer Beschreibung der Erzeugnisse und Kontaktdaten aller Lieferanten über Daten zur Geolokalisierung aller Grundstücke, auf denen die Rohstoffe erzeugt wurden, bis hin zu Vereinbarungen über die Nutzung der Gebiete.
Risikobewertung der gesammelten Informationen und Unterlagen auf Basis von verschiedenen, in der EUDR festgelegten Kriterien. Nur wenn diese Risikobewertung ergibt, dass kein oder nur ein vernachlässigbares Risiko einer Non-Compliance besteht, dürfen die Erzeugnisse vermarktet werden.
Risikominderungsmaßnahmen bei Feststellung eines Risikos, wie etwa die Anforderung weiterer Informationen oder die Durchführung unabhängiger Erhebungen oder Audits.
Erleichterungen für diese Sorgfaltspflichten gelten für KMU-Marktteilnehmer: Wenn für die erfassten Erzeugnisse bereits eine Sorgfaltserklärung übermittelt wurde, müssen sie selbst die Sorgfaltspflichten nicht mehr erfüllen, sondern allein auf Verlangen der Behörde die Referenznummer der Sorgfaltserklärung vorlegen.
Zudem gelten für alle Marktteilnehmer vereinfachte Sorgfaltspflichten, wenn sie sich versichert haben, dass alle relevanten Rohstoffe und Erzeugnisse in Ländern mit geringem Risiko erzeugt wurden. In diesem Fall beschränken sich die einzuhaltenden Sorgfaltspflichten in der Sammlung von Informationen, Daten und Unterlagen. Eine Risikobewertung und Maßnahmen zu Risikominderung sind nur vorzunehmen, wenn der Marktteilnehmer von einem Risiko ausgehen muss, dass die Erzeugnisse gegen die EUDR verstoßen oder die Regelungen umgangen werden.
Sorgfaltserklärung
Als Nachweis der Erfüllung aller Sorgfaltspflichten zur Einhaltung der Entwaldungsfreiheit und der lokalen Rechtsvorschriften müssen Marktteilnehmer, einschließlich der großen Händler, eine Sorgfaltserklärung abgeben. Die genauen Angaben, die in der Sorgfaltserklärung enthalten sein müssen, finden sich in Anhang II der EUDR. Die Sorgfaltserklärung ist vor dem Inverkehrbringen oder der Ausfuhr der Erzeugnisse den Behörden über ein Informationssystem zu übermitteln, das bis Ende 2024 eingerichtet werden soll, und muss anschließend 5 Jahre lang aufbewahrt werden.
Wenn für ein relevantes Erzeugnis bereits eine Sorgfaltserklärung übermittelt wurde, können andere Nicht-KMU-Marktteilnehmer auf diese verweisen, wenn sie zuvor festgestellt haben, dass die Sorgfaltspflicht erfüllt wurde. Sie tragen jedoch weiterhin die Verantwortung für die Einhaltung der Entwaldungsfreiheit und lokalen Rechtsvorschriften.
Rechtsfolgen bei Non-Compliance
Werden die Vorgaben der EUDR nicht eingehalten, sind die relevanten Erzeugnisse nicht verkehrsfähig. Handelt es sich nicht um formelle Verstöße, die behoben werden können, müssen bereits auf den Markt gebrachte Erzeugnisse zurückgerufen oder -genommen, gespendet oder entsorgt werden.
Neben möglichen wettbewerbsrechtlichen und zivilrechtlichen Ansprüchen wird es auch strenge behördliche Sanktionen bei Verstößen gegen die EUDR geben. Diese reichen vom Ausschluss von Vergabeverfahren über die Einziehung von Einnahmen bis hin zu hohen Geldbußen mit einem Höchstbetrag von mindestens 4% des jährlichen unionsweiten Gesamtumsatzes.
Auf der Webseite der Kommission sollen rechtskräftige Urteile wegen Verstößen und verhängte Sanktionen zudem in nicht-anonymisierter Weise veröffentlicht werden – damit einhergehend steigt natürlich auch das Reputationsrisiko.
Die EU meint es ernst.

Dr. Astrid Seehafer, M.Sc.
Eva Ritte, M.A.

HR.Law
Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz / Strompreisbremsengesetz

Um Unternehmen von den stark gestiegenen Energiekosten zu entlasten, hat die Bundesregierung noch im alten Jahr zwei Gesetze auf den Weg gebracht…

Compliance
OLG Urteil konkretisiert Compliance Pflichten

Das OLG Nürnberg hat sich in seinem Urteil vom 30. März 2022 zu der Frage geäußert, ob und inwieweit Geschäftsführer einer GmbH für die Einrichtung und Überwachung ….