Unternehmenskauf vom Verkäufer aus der Krise - Risikominimierung durch Corona?

20. Mai 2020

Der Unternehmenskauf von einem insolvenzgefährdeten Verkäufer ist für den Käufer mit einem hohen Risiko verbunden: Im Falle einer nachfolgenden Insolvenz des Verkäufers droht dem Käufer bei einer erfolgreichen Anfechtung durch den Insolvenzverwalter ein Totalverlust seines Investments. Der Gesetzgeber hat dieses Risiko – wenngleich möglicherweise unbeabsichtigt – minimiert.

Was auf den ersten Blick als Schnäppchen erscheint, kann sich im schlimmsten Fall zu einem Albtraum entwickeln. Ein in Schieflage geratenes Unternehmen muss sich zur Generierung von Liquidität von einer Tochtergesellschaft oder einem Betriebsteil trennen. Der Druck auf Verkäuferseite ist in solchen Situationen häufig groß, was zu einem niedrigen Kaufpreis führt. Wird man sich handelseinig, freuen sich beide Seiten: Der Verkäufer hat sein Liquiditätsproblem gelöst, der Käufer hat günstig eingekauft.

Wenn der Liquiditätszufluss aber nicht für eine dauerhafte Überwindung der Krise des Verkäufers reicht, droht dem Käufer der vollständige Verlust seines Investments. Muss der Verkäufer im Nachgang zu dem Verkauf einen Insolvenzantrag stellen, kann der Insolvenzverwalter den Unternehmenskauf unter Umständen anfechten. Die Rechtsfolge einer erfolgreichen Anfechtung ist für den Käufer dramatisch. Er muss dem Insolvenzverwalter das erworbene Unternehmen – bei einem Asset Deal die einzelnen Vermögensgegenstände und bei einem Share Deal die Anteile – wieder zurückübertragen, während sein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises lediglich eine Insolvenzforderung ist. Hierauf erhält er erst nach Abschluss des Insolvenzverfahrens und damit oft viele Jahre später lediglich eine häufig geringe Insolvenzquote.

I. Voraussetzungen für eine Anfechtung

Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Anfechtung sind im Zweifel in der aktuellen Situation schnell erfüllt. Grundvoraussetzung einer jeden Insolvenzanfechtung ist nach § 129 InsO zunächst eine Gläubigerbenachteiligung, wofür im Regelfall bereits eine mittelbare Benachteiligung ausreicht. Erforderlich ist eine Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger, insbesondere durch eine Minderung des Aktivvermögens des Insolvenzschuldners. Eine zumindest mittelbare Gläubigerbenachteiligung wird dabei regelmäßig selbst dann angenommen, wenn der Verkäufer zunächst einen angemessenen Kaufpreis erhält, dieser aber in der Folge ausgegeben wird und daher nicht mehr für die Gläubiger zur Verfügung steht. Für den „Normalfall“ einer Insolvenzanfechtung, der sog. kongruenten Deckung nach § 130 InsO, muss zudem der Verkäufer im Zeitpunkt des Verkaufs zahlungsunfähig gewesen sein und dem Käufer müssen zumindest Umstände bekannt gewesen sein, die zwingend auf eine solche Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. Wenn der Verkäufer zahlungsunfähig ist, wird der Käufer regelmäßig im Rahmen der von ihm üblicherweise durchgeführten Due Diligence Kenntnis hiervon haben, so dass eine Insolvenzanfechtung des Unternehmenskaufs nach § 130 InsO gute Erfolgsaussichten hat, wenn der Insolvenzantrag binnen drei Monaten nach dem Vollzug des Unternehmenskaufs erfolgt.

II. Schutzmechanismen gegen eine Anfechtung

In der Praxis sind verschiedene Mechanismen entwickelt worden, um das Risiko einer Insolvenzanfechtung bei einem Distressed-M&A-Deal im Vorfeld der Verkäuferinsolvenz zu reduzieren. Die sicherste und im Ergebnis einzig praktikable Lösung ist die Ausgestaltung als sog. Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO. Ein solches anfechtungsprivilegiertes Bargeschäft liegt dann vor, wenn Käufer und Verkäufer unmittelbar gleichwertige Leistungen austauschen. Bei einem Unternehmenskauf kommt es hierfür allein auf den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Zahlung des Kaufpreises und der vollständigen Übertragung des Unternehmens an. Der zeitliche Abstand darf nach der Rechtsprechung maximal 30 Tage betragen. Optimalerweise erfolgt der Vollzug aber Zug-um-Zug. Das Erfordernis des vollständigen Leistungsaustausches bedeutet zugleich, dass auf inzwischen übliche Regelungen wie etwa Gewährleistungseinbehalte oder Earn-Outs verzichtet werden muss. Sämtliche nachgelagerten Zahlungen führen dazu, dass der Kaufpreis noch nicht vollständig erbracht ist, so dass kein unmittelbarer Leistungsaustausch vorliegt. Schließlich muss der gezahlte Kaufpreis eine gleichwertige Gegenleistung darstellen, um ein Bargeschäft annehmen zu können. Dies lässt sich im Rahmen eines Auktionsprozesses dadurch belegen, dass ein höherer Kaufpreis nicht zu erzielen war. Alternativ kann dies auch durch eine Fairness Opinion belegt werden.

Weitere mögliche Schutzmechanismen sind nicht praktikabel. Zum einen könnte der Käufer auf eine Due Diligence verzichten oder diese stark limitieren, um zu vermeiden, Kenntnis von Umständen zu erlangen, die zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. Hierauf wird sich regelmäßig ein Käufer nicht einlassen, weil er nicht „die Katze im Sack“ kaufen möchte. Zum anderen wird häufiger empfohlen, zunächst ein insolvenzfestes Anwartschaftsrecht zu begründen und den Unternehmenskauf durch Zahlung des Kaufpreises erst nach Ablauf der dreimonatigen Anfechtungsfrist zu vollziehen. Dieser Ansatz dürfte aber insbesondere in Krisensituationen nicht in Betracht kommen, weil der Verkäufer eben gerade auf schnelle Liquiditätszuflüsse angewiesen ist. Auch existiert inzwischen Rechtsprechung, die eine solche Konstruktion als absichtliche Umgehung der Anfechtung einordnet und damit eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung nach § 133 InsO ermöglicht.

Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass ein Schutz des Käufers bei einem Unternehmenskauf im Vorfeld einer Verkäuferinsolvenz grundsätzlich nur möglich ist bei einer Ausgestaltung als Bargeschäft.

III.  Neuregelungen in Folge der COVID-19-Pandemie

Der Gesetzgeber hat mit dem „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz“ (COVID-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetz – COVInsAG) primär geregelt, dass für einen zunächst bis zum 30. September 2020 befristeten Aussetzungszeitraum Schuldner keinen Insolvenzantrag stellen müssen, wenn die Insolvenzreife auf den Folgen der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie beruhen und Aussichten auf eine Beseitigung einer Zahlungsunfähigkeit bestehen. Nach § 4 COVInsAG kann das Bundesjustizministerium den Aussetzungszeitraum einmalig bis zum 31. März 2021 verlängern. In § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG ist zudem geregelt, dass während des Aussetzungszeitraums vorgenommene kongruente Deckungen in einem späteren Insolvenzverfahren nicht anfechtbar sind, es sei denn, dem Vertragspartner war bekannt, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind. Erhält also der Vertragspartner des Insolvenzschuldners während des Aussetzungszeitraums genau das, was er beanspruchen konnte, genau zu der vereinbarten Zeit, ist eine Anfechtung nahezu ausgeschlossen. Die Gesetzesbegründung schweigt sich dazu aus, ob diese Regelung auch für Unternehmenskäufe gelten soll. Hier findet sich lediglich der Hinweis, dass ein Bedürfnis für einen Anfechtungsschutz z. B. für Vertragspartner von Dauerschuldverhältnissen wie Vermieter sowie Leasinggeber, aber auch Lieferanten, bestehe (BT-Drucks. 19/18110, S. 24). Weiter heißt es dort: „Wenn solche Vertragspartner befürchten müssten, erhaltene Zahlungen im Falle des Scheiterns der Sanierungsbemühungen des Krisenunternehmens mit anschließender Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund einer Anfechtung zurückzahlen zu müssen, wären sie geneigt, die Vertragsbeziehung auf dem schnellsten Wege zu beenden, was wiederum die Sanierungsbemühungen vereiteln würde.“

Diese Begründung lässt sich ohne Weiteres auf einen Unternehmenskauf übertragen. Zwar handelt es sich hierbei offensichtlich nicht um ein Dauerschuldverhältnis oder eine Lieferbeziehung. Diese Fallgruppen sind aber in der Gesetzesbegründung ausdrücklich nur beispielhaft erwähnt. Betrachtet man zusätzlich das übergeordnete Ziel des COVInsAG, wird deutlich, dass der Anfechtungsschutz auch für Unternehmenskäufe gelten muss. Dieses besteht darin, „die Fortführung von Unternehmen zu ermöglichen und zu erleichtern, die infolge der COVID-19-Pandemie insolvent geworden sind oder wirtschaftliche Schwierigkeiten haben“ (BT-Drucks. 19/18110, S. 17). Hiernach ist es ausdrücklich beabsichtigt, Sanierungsbemühungen zu unterstützen. Entsprechend und konsequent sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG kongruente Rechtshandlungen in einem späteren Insolvenzverfahren nur anfechtbar, wenn dem Vertragspartner bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind.

Deutlich wird dies anhand des folgenden Beispiels: Eine Bank macht es einem Unternehmen für eine weitere Aussetzung von Covenants zur Auflage, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, um einen durch die COVID-19-Pandemie verursachten Liquiditätsausfall zu kompensieren. Wenn diese Maßnahmen etwa darin bestehen, sich von bestimmten Unternehmensbereichen zu trennen oder eine Tochtergesellschaft zu verkaufen, wird klar, dass der Verkauf dazu dient, die Verkäufergesellschaft zu sanieren und fortzuführen. Ein Verkauf zum Zweck der Sanierung liegt damit eindeutig im Rahmen des gesetzgeberischen Ziels, diese Sanierungsbemühungen nicht durch ein Anfechtungsrisiko zu torpedieren. Müsste ein Kaufinteressent bei einem Scheitern der Sanierungsbemühungen und einer sich dann anschließenden Insolvenz des Verkäufers die dramatischen Konsequenzen einer Insolvenzanfechtung fürchten, würden sich die Aussichten für den Verkäufer auf durch einen Verkauf generierte Liquidität erheblich verringern. Die Sanierungsbemühungen wären damit von vornherein vereitelt. Genau dies möchte das COVInsAG verhindern.

IV. Fazit

Auch wenn sich der Gesetzesbegründung zum COVInsAG nicht entnehmen lässt, ob der Gesetzgeber auch einen Unternehmenskauf im Vorfeld einer Verkäuferinsolvenz anfechtungsrechtlich privilegieren wollte, spricht sehr viel dafür, dass der Anfechtungsausschluss aus § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG auch für solche Transaktionen gilt. Alles andere würde die erklärte übergeordnete Zielsetzung des Gesetzgebers unterlaufen. Gleichwohl muss man sich darüber bewusst sein, dass diese Frage absolutes rechtliches Neuland ist. Ob ein Gericht sich im Streitfall später ebenso entscheiden wird, kann nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden. Dem Käufer eines Unternehmens von einem insolvenzgefährdeten Verkäufer muss daher weiterhin dringend dazu geraten werden, die Transaktion nach Möglichkeit als Bargeschäft auszugestalten. Wenn dessen Voraussetzungen nicht erfüllt werden, kann der Käufer sich zusätzlich auf den Schutz des § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG berufen. Er muss daher außerdem darauf achten, dass die Voraussetzungen für eine kongruente Deckung erfüllt sind, der Leistungsaustausch also genauso wie vereinbart stattfindet. Jede Abweichung kann dazu führen, dass die Anfechtungsprivilegierung des COVInsAG nicht greift und das Risiko des Käufers für einen Totalverlust seines Investments erhöhen. Wenn der Käufer dies beachtet, hat sich seine Situation erheblich verbessert. Zusätzlich zum Bargeschäft kann er einem Insolvenzverwalter ein weiteres starkes Argument entgegensetzen.

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