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Rettung der Spargelsaison? Wie können Arbeitnehmer in Kurzarbeit in systemrelevanten Branchen arbeiten?

01. April 2020

In der nächsten Woche beginnt traditionell die Spargelsaison. Doch angesichts der Corona-Reisebeschränkungen wird ein Großteil der Erntehelfer aus den europäischen Nachbarländern nicht anreisen können. Abseits der Spargelernte bemerken Landwirte bereits jetzt, dass Ihnen auch im Anbau anderer Nahrungsmittel das Personal fehlt. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft spricht bereits jetzt von hunderttausenden Helfern, die bundesweit fehlen.

Neben Landwirten haben auch viele andere Arbeitgeber in systemrelevanten Branchen das gleiche Problem. Aufgrund von Hamsterkäufen verschärft sich das Problem des Personalmangels noch zusätzlich. Das Paradoxe an der Situation: gleichzeitig sinkt die Nachfrage in anderen Branchen rapide ab, sodass viele Arbeitgeber Kurzarbeit anmelden müssen. Die betroffenen Arbeitnehmer erhalten dann nur einen Teil ihres bisherigen Nettolohns als Kurzarbeitergeld (KUG) ausgezahlt. Welche arbeitsrechtlichen Möglichkeiten gibt es, dieses Paradox zwar nicht gänzlich zu lösen, aber jedenfalls abzumildern?

Im Folgenden zeigen wir arbeitsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten auf, die Vorteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben. Gleichzeitig können sie dazu beitragen, Arbeitnehmer in systemrelevanten Branchen zu entlasten und Lieferengpässe zu verhindern.

I. Arbeitnehmerüberlassung

Arbeitnehmerüberlassung eröffnet in der aktuellen Situation eine echte Alternative zur Kurzarbeit. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie Arbeitnehmer auch ohne Verleiherlaubnis überlassen werden können:

  • zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 AÜG)
  • im Rahmen des Konzernprivilegs (§ 1 Abs. 3 Nr. 2)
  • gelegentlich (§ 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG)
  • in kleineren Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten (§ 1a AÜG).

Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben könnten Arbeitnehmer an systemrelevante Branchen entliehen werden. Das Bundesarbeitsministerium hat die Voraussetzungen einer gelegentlichen Überlassung § 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG in Unternehmen der landwirtschaftlichen Erzeugung und Verarbeitung, der Lebensmittellogistik oder des Gesundheitswesens während der Pandemie weiter konkretisiert (die Voraussetzungen erklären wir ausführlich in unserem Beitrag « Arbeitnehmerüberlassung als Alternative zur Kurzarbeit »).

Mit einer (gelegentlichen) Arbeitnehmerüberlassung kann der Arbeitgeber Kurzarbeit vollständig oder teilweise vermeiden. Statt die Arbeitszeit auf Null Stunden (Kurzarbeit Null) zu setzen könnte der Arbeitsausfall ganz oder jedenfalls teilweise durch eine Überlassung abgefangen werden.

Die teilweise Überlassung hat für den Arbeitnehmer den Vorteil, dass er wenigstens einen Teil seiner bisherigen Vergütung erhält und nicht allein auf das KUG angewiesen ist. Für den Arbeitgeber hat eine teilweise Überlassung den Vorteil, dass er von dem entleihenden Arbeitgeber im Rahmen eines Überlassungsvertrags die Lohnkosten des Arbeitnehmers – jedenfalls zum Teil – kompensieren kann. Der Entleiher kann wiederum unbürokratisch und schnell seinen Arbeitskräftebedarf decken.

Bei der arbeitsvertraglichen Gestaltung ist allerdings zu beachten, dass der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer nicht kraft seines Direktionsrechts anweisen kann, für einen anderen Arbeitgeber zu arbeiten. Das muss vor der Überlassung einzelvertraglich mit dem Arbeitnehmer vereinbart werden. Zugleich sollte bei der Gestaltung des Überlassungsvertrag mit dem Entleiher auch geregelt werden, unter welchen Bedingungen und mit welcher Frist der Verleiher seinen Arbeitnehmer wieder zurückrufen kann.

II. Anrechnungsfreie Nebenbeschäftigung

Mit der neu geschaffenen Corona-Sonderregelung § 421c SGB III hat der Gesetzgeber schnell und effektiv auf den verschärften Personalmangel in systemrelevanten Branchen reagiert. Arbeitnehmer haben nun die Möglichkeit, auch während des Bezugs von KUG anrechnungsfrei eine Nebenbeschäftigung in einer systemrelevanten Branche aufzunehmen.

Das hat für den Arbeitnehmer den Vorteil, dass er eine zusätzliche Einnahme zu dem KUG hat und daher weniger finanzielle Einbußen erleidet. Allerdings ist der Zuverdienst nur anrechnungsfrei, soweit er zusammen mit dem KUG die Nettohöhe der vertraglichen Vergütung des Hauptarbeitsverhältnisses (Soll-Entgelt) nicht überschreitet. Der Hauptarbeitgeber muss daher den Verdienst aus der Nebenbeschäftigung seines Arbeitnehmers abfragen und im Antrag auf KUG angeben.

Für den Arbeitgeber hat diese Variante daher einen erhöhten praktischen Aufwand. Falls der Arbeitnehmer neben dem Bezug von KUG noch teilweise arbeitet, muss der Arbeitgeber außerdem darauf achten, dass der Arbeitnehmer die zwingenden Höchstarbeitszeiten des Arbeitszeitgesetzes einhält. Denn die Arbeitszeit aus der Nebenbeschäftigung wird mit der Arbeitszeit aus der Hauptbeschäftigung zusammengerechnet.

III. Ruhendes Arbeitsverhältnis

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können auch vereinbaren, dass ihr Arbeitsverhältnis ruht, damit der Arbeitnehmer ein zweites Arbeitsverhältnis bei einem systemrelevanten Arbeitgeber eingehen kann.

Das hat den Vorteil für den ersten Arbeitgeber, dass die Kosten einer Lohnfortzahlung und der Aufwand für die Beantragung des KUG entfallen. Der Arbeitnehmer hat den Vorteil, dass er nicht auf den Bezug von KUG angewiesen ist und sogar mehr als in seinem ersten Arbeitsverhältnis verdienen kann.

Hierbei sollten die Arbeitgeber und der Arbeitnehmer allerdings offen kommunizieren unter welchen Bedingungen der Arbeitnehmer wieder zurück in sein erstes Arbeitsverhältnis wechseln kann. Die konkreten Verträge sollten daher planvoll entworfen werden, um die individuellen Bedürfnisse aller Parteien zu berücksichtigen.

IV. Fazit

Jede dieser Möglichkeiten hat Vor- und Nachteile für die Beteiligten. Hier gibt es daher kein „one-fits-all“. Vielmehr müssen individuelle und kreative Lösungen entwickelt werden, um den Bedürfnissen aller Parteien gerecht zu werden.

Autorin: Dr. Andrea Panzer-Heemeier

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