Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes (auch) zur Sicherung der COVID-19 Impfstoffproduktion?

24. April 2020

Mit dem öffentlich viel diskutierten Ansinnen des amerikanischen Präsidenten, sich exklusiven Zugriff auf die vielversprechende Impfstoffproduktion der Firma CureVac aus Tübingen oder gar das ganze Unternehmen zu sichern, rückte unbemerkt das Außenwirtschaftsgesetz in den Fokus öffentlicher Diskussionen, denn der Schrei nach einer Möglichkeit zur Untersagung etwaiger Trump-Avancen war deutlich vernehmbar.

Die Bundesregierung kann nun im Rahmen einer ohnehin anstehenden Reform des Außenwirtschaftsgesetzes dieses Thema aufgreifen. Die im April 2019 in Kraft getretene EU-Screening-Verordnung, die europaweite Zusammenarbeit und Mindeststandards für Investitionskontrollen vorsieht, erfordert eine Adaption nationaler Regelungen bis Oktober 2020.

Am 8. April hat die Bundesregierung in ihrer Kabinettssitzung nun den vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegten Entwurf zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes beschlossen. Das parlamentarische Verfahren wird aller Voraussicht nach schnell und ohne große Kontroversen durchgeführt werden, so dass einem baldigen In-Kraft-Treten des geänderten Gesetzes nichts im Wege stehen dürfte.

Das geänderte Außenwirtschaftsgesetz wird neben einem europaweiten Kooperationsmechanismus vier wesentliche Änderungen bringen:

  • Der Prüfmaßstab wird dahingehend europaweit vereinheitlich, dass es nicht mehr auf eine „tatsächliche Gefährdung“ der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ankommt, um einen Erwerb untersagen zu können, es reicht vielmehr bereits eine viel früher einsetzende „voraussichtliche Beeinträchtigung“;
  • Der Vollzug eines Unternehmenserwerbs (Schwelle 10%) wird verhindert, und auch bereits das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft ist ex lege schwebend unwirksam. Maßnahmen, die den wirtschaftlichen Einfluss des Erwerbers schon in der Schwebephase sichern sollen, werden ausdrücklich untersagt;
  • Es gibt ein Verbot, wesentliche, durch das Außenwirtschaftsgesetz geschützte Informationen vor Erteilung der Erlaubnis mit dem potenziellen Käufer zu teilen;
  • im Rahmen der nachfolgenden Anpassung der Außenwirtschaftsverordnung soll der Katalog der meldepflichtigen und einer Prüfung zu unterziehenden Erwerbe deutlich erweitert werden.

Der bisherige Katalog hatte vor allem kritische Infrastruktur, beispielsweise im Telekommunikations- und Energiebereich im Fokus. Der erweiterte Katalog der meldepflichtigen Erwerbe sollte bisher die Bereiche Künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Biotechnologie und Quantentechnologie enthalten. Es wird aber erwartet, dass vor dem aktuellen COVID-19 Hintergrund auch Impfstoffe und Medizinprodukte explizit genannt werden, um klare Regelungen für in der Pandemie strategisch wichtige Branchen zu haben.

So wünschenswert klare Regelungen gerade in Bezug auf den erweiterten Katalog strategisch wichtiger Wirtschaftszweige sind und so wichtig die europaweite Zusammenarbeit bei der Untersagung unionsfremder Erwerbe ist, birgt die Novellierung dennoch erhebliche Stolpersteine für die M&A Praxis.

Natürlich ist es wünschenswert, dass ein erfolgsversprechender Kandidat für die Entwicklung des dringend benötigten COVID-19 Impfstoffs nicht in die USA abwandert, dennoch darf nicht verkannt werden, dass gerade im Wagniskapitalbereich – und Impfstoffentwicklung funktioniert nur durch die Zurverfügungstellung von erheblichen Summen an Wagniskapital, sei es durch die eigene Konzernbilanz, oder durch finanzkräftige externe Kapitalgeber – die wesentlichen Kapitalströme immer noch aus dem Ausland, vor allem den USA nach Europa fließen. Die Erweiterung des Anwendungsbereichs des Außenwirtschaftsgesetzes mit einer neuen, geringeren Eingriffsschwelle darf daher nicht dazu führen, dass eben diese Kapitalströme unterbunden werden, solange Europa keine eigene Wagniskapitalbranche ähnlicher Güte vorweisen kann. Am Rande sei bemerkt, dass auch der Brexit dazu führen könnte, dass Kapitalströme aus UK als „unionsfremd“ angesehen werden, so dass auch hier entsprechende Hürden gelten könnten.

Die Schließung von Regelungslücken, die auch schon das schuldrechtliche Rechtsgeschäft ohne Genehmigung unwirksam belassen, unterstützt durch entsprechende flankierende Verbote, bereits Einfluss auf das Zielunternehmen zu nehmen, sind nur folgerichtig, um dem Gesetz die erforderliche Durchschlagskraft zu geben. Aber das Verbot, wesentliche Informationen vor Genehmigung mit dem potenziellen Erwerber teilen zu dürfen, könnte in der Praxis zum Hemmnis werden. Schwer vorstellbar sind PE-Transaktionen in den avisierten Bereichen – hier wiederum beispielhaft der Impfstoffhersteller – bei denen der potenzielle unionsfremde Erwerber einer Beteiligung einen genehmigungsbedürftigen Kaufvertrag abschließt, ohne die wesentlichen Informationen über das strategisch wichtige Asset, den Impfstoff, gesehen zu haben. Nicht zuletzt die Kaufpreisermittlung, immerhin Teil der essentialia negotii, dürfte ohne Einblick in Wirkweise und den Schutzstandard des Impfstoffes kaum belastbar durchzuführen sein. Hier muss also das Ergebnis eines Due Diligence Prozesses antizipiert und ggf. nach außenwirtschaftlicher Genehmigung nachgeholt werden. Ob der Markt sich als so flexibel erweist, muss sich erweisen. Europäische Targets könnten auf Grund dieser Unsicherheiten aber auch an Attraktivität verlieren.

Durch die nun auf den Weg gebrachten Reformen des Außenwirtschaftsrechts wird der Anwendungsbereich erweitert – man muss künftig bei deutlich mehr Anwendungsfällen über ein Genehmigungserfordernis nachdenken und entsprechenden M&A-Prozesse anders aufsetzen, um erfolgreich zu sein. Eine frühzeitige Einbindung von außenwirtschaftlich versierten Beratern ist sinnvoll. Für den Moment gilt aber: Herrn Trump wird die versuchte Übernahme von CureVac nicht nur durch die Gesellschafter des Unternehmens, sondern auch durch ein scharfes gesetzliches Schwert verwehrt.

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